Der Bundesgerichtshof hat am 20.09.2023, Az.: 1 StR 187/23, die Revision des ehemaligen Steueranwalts und zentralen Figur im Cum-Ex-Komplex,  Dr. Hanno Berger, als unbegründet verworfen. Dr. Berger war vom Landgericht Bonn im Dezember 2022, Az.: 62 KLs – 213 Js 116/20 – 2/20, wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden.

In der Hauptsache befasst sich der Beschluss mit der Zulässigkeit der Verurteilung unter Berücksichtigung der schweizerischen Auslieferungsentscheidung zuvor, nachvollziehbar und wenig berichtenswert. Die gegen die Bejahung der Strafbarkeit der Cum Ex Geschäfte selbst gerichteten Revisionsrügen werden dagegen vom Senat auf einer knappen Textseite regelrecht abgetan allein unter Hinweis auf seine eigene, so bezeichnete „Grundsatzentscheidung“ zu Cum Ex vom 28. Juli 2021, Az. 1 StR 519/20.

An sich ein normales und zulässiges Unterfangen: Hat sich ein Gericht in einer früheren Entscheidung zu einem jetzt ebenfalls anstehenden Rechtsproblem bereits tiefgehend und aus seiner Sicht erschöpfend geäußert, muss es nicht neu abschreiben, sondern kann auf die frühere Klärung der Rechtsfrage verweisen.

Nur geht das hier gewaltig ins Leere. Der BGH hatte nämlich in der vorzitierten Entscheidung die elementar wichtig gewesene Feststellung des notwendigen Strafbarkeitsvorsatzes der Cum-Ex Geschäfte auf 27 Urteilsseiten mit 142 Randziffern nur einer einzigen Randziffer (86) auf einer dreiviertel Seite allein mit einer abstrakten Kenntnis der Umstände durch die Beteiligten bejaht. Dabei übergeht das Urteil die einhellig von Literatur, Rechtsprechung und nicht zuletzt dem Senat selbst vertretende Steueranspruchstheorie vollständig. Vielmehr wurde (Rz. 55) die Zulässigkeit der Geschäfte  als „abwegig“ bezeichnet- eine Zulässigkeit, die jedenfalls noch in den ersten Jahren der aufkommenden Cum-Ex Auseinandersetzungen nicht nur von namhaften und mindestens teilweise des Lobbyismus völlig unverdächtigen Rechtswissenschaftlern, sondern auch von ranghohen Vertretern der an den verschiedenen Gesetzes– und Verordnungsverfahren beteiligt gewesenen Ministerien und Behörden bejaht wurde. Alles das blieb im „Grundsatzurteil“ ausgeblendet, als angeblich „abwegig“.

Ein Strafurteil aus 2021 und ein solches jetzt, die nach unserer Bewertung nahezu allein vom Ergebnis getragen sind. Ein Ergebnis, dass sich „steuermoralisch“ allen aufdrängt, die Chance auf Rückführung massiver Steuerausfälle gibt und Politiker- und Ministerialbeamtenversagen über zwölf Jahre von Beginn bis zum Ende der Gesetzeslücke hervorragend überdeckt.

Entstanden war die für Cum-Ex allein verantwortliche Gesetzeslücke durch die Unternehmenssteuerreform im Januar 2002. Bereits im Dezember 2002 warnte der Bankenverband erstmals das Bundesministerium für Finanzen (BMF) schriftlich vor massiven Steuerausfällen. In 2006 wurde eine halbherzige Gesetzesreform veranlasst, in 2009 eine weitergehende, aber immer noch unzureichende BMF-Verwaltungsanweisung herausgegeben. Etwa zeitgleich forderten sich Finanzpolitiker verschiedener Parteien nun gegenseitig öffentlich auf, die Gesetzeslücke (sic!) endlich zu schließen, was die Finanzpolitik erst zum 1.1.2012 in die Tat umsetzen konnte.

Niemand kam über diese Jahre dabei auch nur auf die Idee, das Ausnutzen der allseits als solche erkannten Gesetzeslücke als strafbar anzusehen. Diese „Idee“ entstand vielmehr erst im Winter 2012 nach einem nur kurz begründeten Eilbeschluss des Hessischen Finanzgerichtes allein zur objektiven Steuerrechtslage.

Wenn sich parteiübergreifende Politikerinteressen, die Medienöffentlichkeit, Fiskalinteressen und die öffentliche  Meinung absolut einig sind und das Ergebnis auch noch steuermoralisch ganz zweifellos stimmt, kann man wohl realistisch betrachtet  bei allem Bemühen um Rechtstaatlichkeit kein anderes Ergebnis erwarten. Falsch bleibt das aus unserer subjektiven Sicht trotzdem.

Ingo Minoggio, Peter Wehn, Barbara Bischoff