Zitat aus einem Behördenvermerk eines Steuerfahnders im Verfahren gegen eine sozial anerkannte, strafrechtlich völlig unvorbelastete Beschuldigte, bei der die Steuerfahndung im April 2018 in Anwesenheit eines Staatsanwalts eine Hausdurchsuchung durchgeführt hatte. Alles wörtlich aus der Akte, nur anonymisiert:

„Unterzeichner gab der Frau X vorab das Verfahren bekannt und belehrte sie. Vom Staatsanwalt wurde die Belehrung nochmals erläutert und Frau X bekam auf ihre Bitte eine Liste mit Pflichtverteidigern ausgehändigt. Frau X  verstand die Belehrung, sie wollte im Moment nichts sagen und sich erst nach der Durchsuchung um einen Anwalt bemühen.

Unterzeichner erläuterte der Frau X im Einzelnen die Vorwürfe zur Verantwortlichkeit für die Erklärung zur Gewinnfeststellung 2013 nickte sie, als Unterzeichner ausführte, die Y GmbH & Co. KG sei zwecks Aktienverkaufs gegründet worden, verneinte sie spontan, der Geschäftszweck wäre ursprünglich Immobilienerwerb und erst später Verkauf.

Als Unterzeichner zum Ausschlagen des Vermächtnisses im Februar 2011 erst nach Verkauf der Aktien im Dezember 2010 kam, trug sie vor, sie hätte doch Erbschaftssteuer für den Vorgang Nachlass A. B. gezahlt.“

Wie kann denn das sein? Fragt man sich als Bürger mit den Kenntnissen aus dem Gemeinschaftskundeunterricht. Der Betroffene hat im Strafverfahren doch ein Schweigerecht, wird bei der Durchsuchung auch noch darüber belehrt – und danach fängt der Steuerfahnder zu fragen an, hält ihm Sachverhalt vor und protokolliert die Äußerungen des Bürgers, ohne dass dieser das weiß und das Protokoll lesen prüfen, korrigieren und danach erst unterschreiben kann?

Wie kann denn das sein? Fragt man sich auch als Steuerstrafverteidiger. Der Grundsatz, zu Vorwürfen schweigen zu dürfen, nicht selbst an seiner Verurteilung mitzuwirken, sich nicht selbst belasten zu müssen, ist in unserer Verfassung verankert, in der EU-Grundrechtscharta, in der Menschenrechtskonvention – und wird nicht respektiert in einer den Bürger völlig überfordernden Situation einer unangekündigten Hausdurchsuchung!

Das ist nicht bei jeder Durchsuchung so, stellt aber auch keine absolute Ausnahme dar. Jagdfieber der Strafverfolgungsbeamten überwindet rechtsstaatliche Garantien in derartigen Situationen nicht selten. Hier hatte auch der Staatsanwalt offensichtlich nicht eingegriffen, um Rechtsstaatlichkeit zu bewahren.

Es macht es sich zu einfach, wer denkt, die Betroffene hätte nur auf die Fragen des Fahnders nicht antworten müssen. Staatliche Strafverfolgungsorgane haben das Schweigerecht (nemo-tenetur-Grundsatz) von sich aus zu achten. Sie dürfen nicht ihre Autorität dazu missbrauchen, den Bürger unter Druck zu setzen – und bei einer den Bürger massiv belastenden Hausdurchsuchung setzt jede Frage des Steuerfahnders jeden Bürger unter den Druck eines vermeintlichen Zwangs zu einer Beantwortung.

Und schließlich irrt auch, wer meint, dass die per Vermerk festgehaltenen Antworten der Betroffenen im weiteren Verfahren nicht gegen sie verwendet werden dürfen. Das Gegenteil ist in der Praxis richtig. Im Besteuerungsverfahren wird ein Verwertungsverbot derartiger, bewusst provozierter Spontanäußerungen vollständig und sogar im Strafverfahren weitgehend abgelehnt.

Also alles äußerst unschön und rechtsstaatswidrig. Schon deshalb muss es qualifizierte Strafverteidigung als Beistand für die Betroffenen in jeder Lage des Verfahrens geben.

Peter Wehn, Dr. Barbara Bischoff