In einem Interview für die online Ausgabe der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. April 2013 findet der Präsident des BFH Rudolf Mellinghoff richtige und bemerkenswert klare Worte zu aktuellen Fehlentwicklungen im Steuerstrafrecht:

Er widerspricht den zumeist wahlkampftaktischen Forderungen nach Abschaffung der Selbstanzeige und stellt diese als ein bewährtes Instrument dar, zu dem es im allgemeinen Strafrecht durchaus Parallelen gibt. Weiterhin sorgt er sich um die im internationalen Vergleich viel zu schnelle Anordnung von Untersuchungshaft in Deutschland- und brandmarkt bemerkenswert deutlich die ebenso offenkundige wie immer wieder von Staatsseite abgestrittene Tatsache, dass Untersuchungshaft bei uns an vielen Orten rechts– und verfassungswidrig eingesetzt wird, um Steuerbürger mit Unschuldsvermutung möglichst schnell zu einem Geständnis tatsächlichen oder vermeintlichen Fehlverhaltens zu bringen.

Schließlich beklagt er noch die seiner Auffassung nach sich in jüngster Zeit häufenden Fälle, (so wörtlich) in denen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz von der Steuerfahndung nicht hinreichend beachtet wird, und in denen er vollkommen zu recht ein rechtsstaatliches Problem sieht. Insgesamt mahnt er die Wahrung des Amts– und Steuergeheimnisses bei steuerstrafrechtlichen Ermittlungen an, das er gefährdet sieht.

Das alles sind wahre Worte und es tut gut, dass sie überhaupt noch ausgesprochen werden. Natürlich kann man Bedenken haben, dass sich der oberste (als Gleicher unter Gleichen) deutsche Steuerrichter in dieser Weise öffentlich und offensichtlich auch ganz bewusst äußert. Diese Bedenken tragen in der heutigen Zeit unserer Meinung nach jedoch nicht mehr. Es sollte noch viel mehr Stimmen geben, die so warnen.

Strafrechts– und Steuerrechtspolitik ist nämlich ganz offensichtlich etwas geworden, das viel zu wertvoll ist für unseren Rechtsstaat, als dass man diese Themen in Vorwahlkampfzeiten den Politikern, den Boulevardmedien und den Stammtischen allein überlassen dürfte. Bürgerrechte und Rechtsstaatlichkeit mögen nicht so spektakuläre Themen darstellen wie ein Fußballfunktionär im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren, sind aber für uns alle viel wichtiger.

Das vollständige Interview finden Sie hier: www.faz.net/-gq7-78omt

Ingo Minoggio, Peter Wehn