Nun hat es also entschieden, das Bundesverfassungsgericht: Die Verständigung im Strafverfahren mit den neuen gesetzlichen Regelungen hierzu bleibt erlaubt, alles darf aber nur äußerst restriktiv gehandhabt werden.

Der Praktiker bleibt ratlos zurück. Mit dem apodiktisch vorgebrachten Satz (Tz. 119 am Ende) „Im Rechtsstaat des Grundgesetzes bestimmt das Recht die Praxis und nicht die Praxis das Recht“

allein wird man einer seit vielen Jahrzehnten bestehenden Entwicklung im Strafprozess jedenfalls nicht gerecht. Als hätte es nicht schon vor vielen Jahren nach Auffassung aller Beteiligter die Notwendigkeit gegeben, eine Verständigungskultur im Strafprozess zu entwickeln. Das alles, noch bevor die obergerichtliche Rechtsprechung in Gestalt des 4. Strafsenats sich damit befasst hat und lange vor Tätigwerden des Gesetzgebers.

Vertan auch die Chance, dem Gesetzgeber vorsichtig Hinweise für den weiteren Weg zu geben, der nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts vor dem Grundgesetz Bestand haben kann. Stattdessen ein Einschwören auf die Verwirklichung des Schuldprinzips mit dem nicht einlösbaren Versprechen, für materielle Gerechtigkeit durch Amtsaufklärung in jedem einzelnen Strafprozess zu sorgen. Wenn wenigstens die gesetzlichen Regelungen verworfen worden wären mit dem Hinweis an den Gesetzgeber, wie neben dem streitigen ein fakultatives, konsensuales Strafverfahren verfassungsfest errichtet werden kann.

Unserer Auffassung nach berücksichtigt das Urteil der Verfassungsrichter daher im Ergebnis eher theoretische Denkmodelle. Als Beleg dafür mag die Erörterung in Tz. 103 dienen, in der die Erledigungsmöglichkeiten der §§ 153 ff StPO angesprochen und gebilligt werden: Wer die Praxis ausreichend kennt, kann nicht der Verständigung im Strafprozess kritisch gegenüberstehen und diese begrenzen wollen, aber gleichzeitig die tagtägliche Anwendung der Erledigungsvorschriften längst weit außerhalb ihres vom Gesetzgeber gewollten Anwendungsbereiches akzeptieren.

Ingo Minoggio