Was war passiert?
In einem von uns verteidigten Steuerstrafverfahren wurde nicht nur bei den Verantwortlichen eines mittelständischen Konzerns als Beschuldigte durchsucht, sondern bei dem eine steuerliche Gestaltung betreuenden Steuerberater sofort mit. Dabei wurde nur pauschal behauptet, der Steuerstrafverdacht richte sich auch gegen den Steuerberater selbst.
Dagegen sind wir vorgegangen. Das Landgericht stellte auf unsere Beschwerde zunächst fest, dass ein für eine Durchsuchung bei einem Beschuldigten notwendiger Anfangsverdacht gegen den Steuerberater gar nicht bestanden hat. Es hob insoweit die Entscheidung des Durchsuchungsrichters auf, der diesen Anfangsverdacht ohne Tatsachenbasis zugrunde gelegt hatte.
Gleichzeitig stellte das Landgericht unter Bezugnahme auf eine Literaturmeinung und fehlende Rechtsprechung dazu allerdings fest, dass die bei der rechtswidrigen Durchsuchungsaktion sichergestellten Unterlagen und Daten von den Strafverfolgungsbehörden sehr wohl weiter ausgewertet werden dürften: Möglicherweise ergäbe sich ja aus diesen neuen Erkenntnissen, dass ein Anfangsverdacht jetzt begründet werden könne. Dann würden alle Unterlagen und Daten verwertbar werden.
Ein weiteres Rechtsmittel vor den Strafgerichten war gegen diese Entscheidung nicht möglich. Also blieb uns nur der Gang zum Bundesverfassungsgericht – mit allerdings schwerwiegenden Argumenten: Wenn die Begründung des Landgerichts richtig gewesen wäre, bräuchte es praktisch nie einen Tatverdacht für einen Durchsuchungsbeschluss gegen einen Betroffenen. Man könnte vielmehr einen solchen ohne sachliche Begründung erlassen, die Durchsuchung durchführen – und dann in Ruhe die Beweismittel durchsehen, ob man nicht jetzt einen solchen Tatverdacht begründen und dann auch die Beweismittel weiter verwenden und verwerten kann.
Hinzu kommt, dass die schweigeberechtigten und damit schweigepflichtigen Beratungsberufe (Steuerberater, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer) von Gesetzes wegen einen sogenannten „staatsfreien Raum“ für ihre Tätigkeit beanspruchen können, den sie zur Ausübung ihres Berufes und der Wahrnehmung ihrer Beistandsfunktion für den Bürger/die Bürgerin zwingend benötigen. Dieser geschützte Raum darf eben nur in engen Ausnahmefällen eingeschränkt werden. Die Voraussetzungen dafür müssen bereits vor dem staatlichen Eingriff ordnungsgemäß festgestellt worden sein.
Wie hat das Bundesverfassungsgericht entschieden?
Erfreulicherweise ist das Bundesverfassungsgericht unserer oben nur im Kern zitierten Begründung einer Grundrechtsverletzung in seiner Entscheidung gefolgt. Mit dem schlanken Satz im Beschluss in Rz. 49:
„Durchsuchung, Durchsicht oder Beschlagnahme dürfen nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind, denn sie setzen einen Verdacht bereits voraus“
ist dabei in der Entscheidung (der Volltext ist hier abrufbar) praktisch alles gesagt.
Es bleibt zu hoffen, dass diese Rechtsprechung von den Strafgerichten schnell aufgenommen und zukünftig vollständig zugunsten aller beruflich schweigepflichtigen Berater und Beraterinnen umgesetzt wird, wie erwartet werden kann.
Peter Wehn