Wenn man nur auf sie hören würde. Es kann einem als Strafverteidiger und Steuerbürger richtiggehend schlecht werden, wenn mit nichts mehr als vox populi auf unrichtiger Informationsbasis im Rücken  – wirtschaftsethisch zweifellos beanstandungswürdige –  Steuererstattungen auf Aktiengeschäfte als angeblich kriminelle Steuerhinterziehungstaten gebrandmarkt werden, obwohl „nur“ 10 Jahre Fachpolitiker- und Behördenversagen vorgelegen hat beim Erkennen und Beseitigen eines fehlerhaften Gesetzes.

Cum Ex Geschäfte waren bis 2012 legal. Kein geringerer als Mellinghoff als amtierender Präsident des Bundesfinanzhofs hatte deshalb bereits 2014 eine ungerechtfertigte Kriminalisierung im Nachhinein als rechtsstaatlich bedenklich ausdrücklich kritisiert (Zeitschrift Die Steuerberatung 2014, Seite 97 ff.). Nach ihm meldet sich mit Jachmann-Michel die Vorsitzende Richterin des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs zu Wort (Zeitschrift StuW 2017, Seite 209, insoweit Seite 216) und schreibt:

„Erlaubt das Steuergesetz für bestimmte Konstellationen – zumindest bei einer nachvollziehbaren Auslegung – eine mehrfache Erstattung eines nur einmal erhobenen Betrags – so beim unstreitig moralisch höchst fragwürdigen – Cum-Ex-Geschäft – bedarf es keiner Steuergestaltung, wenn der Steuerpflichtige diese Möglichkeit nutzt. Vielmehr wäre es Sache des Steuergesetzgebers, auf derartige gesetzliche Fehler – anders als bei den Cum-Ex-Geschäften geschehen – sofort zu reagieren.

Vielleicht ist angesichts der „Cum-Ex/Cum-Cum-Debatte“ die Zeit gekommen, dass der Steuergesetzgeber endlich die politische Kraft findet, den längst überfälligen Kurs in Richtung einfacher, handhabbare Gesetze einzuschlagen. Wenn sich der Steuerstaat trotz langjähriger Forderungen von Wissenschaft und Praxis nach einfachen Steuergesetzen samt konkreter Gesetzesentwürfe weiterhin in der eigenen Kompliziertheit verstrickt, hat der Steuerpflichtige dies nicht zu kompensieren. Im rechtsstaatlichen Steuerstaat gilt: Keine Steuer ohne Gesetz und die Höhe der Steuer genau nach der gesetzlichen Vorgabe.“

Wie wahr und wie berechtigt. Und wie widerwärtig dagegen, wenn man den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages (erstattet zeitnah vor der letzten Bundestagswahl) liest, der zu dem absurd unvertretbaren Ergebnis kommt, gegen Politik und Behörden sei keinerlei Vorwurf im Zusammenhang mit den gesetzlichen Grundlagen der Cum-Ex-Geschäfte zu erheben. (Der Bankenverband hatte das Bundesfinanzministerium in 2002 ausdrücklich und schriftlich gewarnt. Endgültig korrigiert wurde das fehlerhafte Gesetz in 2012. Zu den mehrfachen Kapitalerstattungen kam es in den 10 Jahren zwischen 2002 und 2012).

Ingo Minoggio, Peter Wehn,  07.11.2018