Nach dem rechtskräftigen Beschluss des OLG Celle Az: 9 W 86/17 wird dem Volkswagenkonzern aufgrund eines Antrages von drei amerikanischen Aktienfonds jetzt auferlegt, einen vom OLG sogleich benannten Sonderprüfer nach § 145 AktG auf eigene Kosten zu bestellen.

Dieser hat zu untersuchen und der Hauptversammlung schriftlich zu berichten,
– ob Vorstand und Aufsichtsrat von VW seit 2006 ihre Pflichten verletzt und Schaden verursacht haben,
– ab wann sie von der Abgasthematik Kenntnis hatten oder hätten haben müssen,
– ob der Kapitalmarkt rechtzeitig informiert worden ist.

VW hatte sich dagegen in erster Instanz vor dem Landgericht Hannover noch erfolgreich mit dem Argument gewehrt, durch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen einerseits und die vom Unternehmen selbst beauftragten internen Ermittlungen wäre einem Aufklärungsbedarf ausreichend Genüge getan, das Verlangen nach einem zusätzlichen Sonderprüfer  zur Unterrichtung der Hauptversammlung sei unverhältnismäßig und für das Unternehmen schädlich.

Das hat das Oberlandesgericht nicht gelten lassen. Vom staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren seien insbesondere wegen einstweiliger Anordnungen des Bundesverfassungsgerichts aus Juli 2017 mit dem Verbot zeitnaher Auswertung von sichergestellten Anwaltsunterlagen keine schnellen Ermittlungsergebnisse zu erwarten. Die eigenen, vom Unternehmen angestrengten Ermittlungen könnten keinen genügenden Schutz der Aktionärsversammlung und insbesondere keinen genügenden Minderheitenschutz dort gewährleisten. Schließlich kenne man den der Anwaltskanzlei erteilten Auftrag nicht, eine Einflussnahme auf die anwaltlichen Untersuchungsergebnisse sei hierdurch nicht ausgeschlossen. Im Übrigen hätten Unternehmen und Aufsichtsrat im Verfahren offengelassen, ob die Untersuchungsergebnisse überhaupt der Hauptversammlung zugänglich gemacht werden sollen.

Recht offen bescheinigen die OLG-Richter VW in dieser Entscheidung eine bereits jahrelang (so wörtlich) „andauernde Intransparenz“ bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit und ihrer Aktionäre. Mehr noch wird die Vermutung geäußert (ebenfalls wörtlich), „dass auch in den nächsten Jahren nicht mit der Herstellung von Transparenz gerechnet werden kann“.

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Sie dokumentiert, dass der aktienrechtliche Schutz von Aktionären und Minderheiten bei der gebotenen Aufklärung von mutmaßlichen Sünden der Vergangenheit eigenständig auch dann weiterbesteht, wenn diese Missstände schon anderweitig untersucht werden. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen können diesen Aktionärsschutz von vornherein nicht bewirken, sie haben eine andere Zielrichtung, dauern jahrelang und erweisen sich in der Praxis am Ende als äußerst unterschiedlich effektiv. Interne Untersuchungen in Unternehmen können nur dann eine aktienrechtliche Sonderprüfung ersparen, wenn nachgewiesen wird, dass sie hinsichtlich der Unabhängigkeit und der Verwertung der Untersuchungsergebnisse einer aktienrechtlichen Sonderprüfung gleichstehen. Das war hier aus richterlicher Sicht keineswegs der Fall.

Verantwortlich und für Rückfragen: Dr. Ingo Minoggio, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, MINOGGIO Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Hamm/Münster, www.minoggio.de; Autor des Fachbuchs „Unternehmensverteidigung“, Bonn, 3. Aufl. 2016 sowie Mitautor „Unternehmenseigene Ermittlungen“, Berlin 2016.

Dienstag, 14.11.2017