in: Die Steuerberatung (Stbg) 2001, Seite 324 (Heft 7): Steuerberater und Strafverteidiger im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren – Plädoyer für optimale Zusammenarbeit.

I. Einleitung

Im Steuerstrafverfahren – nomen est omen – geht es dem Staat um die Steuer und die Strafe. Ein Bürger ist in (Anfangs-)Verdacht geraten, seinen steuerlichen Pflichten nicht in vollem Umfang nachgekommen zu sein. Hierauf wird dadurch reagiert, dass ein Steuerstrafverfahren eingeleitet wird mit dem Doppelziel, sowohl die Besteuerungsgrundlagen zutreffend festzustellen, als auch zu ermitteln, ob eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit (§§ 369 ff. AO) begangen wurde. Beide Aufgaben werden in den meisten Praxisfällen von der Steuerfahndung gleichzeitig durchgeführt 1, die janusköpfig sowohl in die steuerliche als auch die strafrechtliche Richtung blickt und ermittelt2.

Den Bürger trifft das im Regelfall vollkommen unvorbereitet. Nicht selten steht am Anfang der Fahndung eine Durchsuchung seiner Privat- und Geschäftsräume einschließlich Pkw, Bankschließfächern und Hosentaschen. Mit dieser Situation ist er völlig überfordert. Allein kann er sich nicht mit den rechtsstaatlich ihm zur Verfügung stehenden Mitteln wehren – es stellt vielmehr eine altbekannte und in vielen steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren neu bestätigte Erfahrungstatsache dar, dass unkoordinierte eigene „Verteidigungsbemühungen“ des Steuerpflichtigen seine Situation nicht selten irreparabel verschlechtern. Dabei kommt es noch nicht einmal darauf an, über welche steuerlichen oder strafprozessualen Kenntnisse der Mandant verfügt. Auch Steuerberater und Anwälte sind in eigener Sache schlechte Ratgeber3.

Steuerfahnder dagegen sind in aller Regel sachkundige, gut motivierte Beamte, die sehr wohl ihre nach Abgabenordnung und Strafprozessordnung bestehenden Eingriffsbefugnisse kennen und anwenden, dabei Auslegungsfragen gerade im ersten Zugriff sicherlich eher großzügig zu eigenen Gunsten beantworten. Klar ist deshalb: Der Steuerpflichtige benötigt unbedingt von Anfang an in gleicher Weise sowohl steuerliche als auch strafrechtliche Beratung und Vertretung.
Damit stellt sich die Frage, zu der im Rahmen dieses Beitrages Position bezogen werden soll: Vertretung im Steuerstrafverfahren entweder nur durch den Steuerberater oder nur durch den Rechtsanwalt als Strafverteidiger – oder aber zweckmäßigerweise durch beide Berater?

II. Rechtliche Befugnis zur steuerlichen Beratung und Strafverteidigung

Die Frage nach dem Vertreten-Dürfen ist schnell beantwortet: Der Steuerberater kann im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren so lange alleine und ohne jeden Vorbehalt als Verteidiger tätig werden, wie das Verfahren eigenverantwortlich von der Finanzbehörde geführt, und nicht an die Staatsanwaltschaft abgegeben beziehungsweise in seltenen Fällen aufgrund des sogenannten Evokationsrechtes4 von dieser an sich gezogen wird5. Soweit die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen führt, kann der Steuerberater in Gemeinschaft mit einem Rechtsanwalt die Verteidigung führen.

Der Rechtsanwalt kann uneingeschränkt als Strafverteidiger auftreten6 und ist darüber hinaus zur steuerlichen Beratung gemäß § 3 Nr. 2 StBerG befugt7. Damit kann er in allen Steuerstrafverfahren (theoretisch) ohne den Steuerberater auskommen, und der Berufsangehörige bedarf in allen Fällen – die in der Praxis den breitesten Raum einnehmen – auch des Rechtsanwaltes als Strafverteidiger nicht, in denen die gemäß den §§ 387, 388 AO sachlich und örtlich zuständige Finanzbehörde das Ermittlungsverfahren führt.


1) Vgl. §§ 208, 404 AO
2) vgl. näher bei Tipke/Kruse, § 208 AO Rz. 14 f, auch zum Spannungsverhältnis von § 208 AO einerseits und § 393 I 1 AO andererseits; Vogelberg in Praxis Steuerstrafrecht 1998, S. 97
3) Der Anwalt, der sich selbst vertritt, hat bekanntlich einen Narren zum Mandanten.
4) § 386 Abs. 2 S. 2 AO
5) vgl. § 392 AO 1. Hs.
6) vgl. § 138 StPO
7) Zu den Verteidigungsbefugnissen im einzelnen vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 392 AO, Rz. 21 ff.


 

III. Sichtweise der Finanzverwaltung: Beraterstärken, Beraterschwächen

Die Arbeit des Steuerberaters ist darauf ausgerichtet, die steuerlichen Belange des Mandanten gegenüber dem Besteuerungsfinanzamt dauerhaft zu wahren. Es ergibt sich aus diesem und den anderen Mandaten eine kontinuierliche – der folgende Ausdruck sollte durchaus nicht stören – Zusammenarbeit mit dem Besteuerungsfinanzamt und den sonstigen Finanzbehörden. Dabei wachsen mit den Jahren sachliche Kontakte zu den Mitarbeitern der Finanzverwaltung auf allen Ebenen, vom Sachbearbeiter bis manchmal zum Leiter der Oberfinanzdirektion.

Hierbei treten formelle Rechtspositionen oftmals zu Gunsten einer möglichst reibungsfreien Erledigung der jeweiligen Angelegenheiten in den Hintergrund. Die Finanzverwaltung sieht den Steuerberater auch nicht in der Weise als einseitig ausgerichteten Interessenvertreter des Steuerpflichtigen an, wie den Rechtsanwalt in einer rechtlichen Angelegenheit. Das gilt oftmals in ähnlicher Weise auch für die Zusammenarbeit zwischen den Steuerfahndern und den jeweiligen Beratern. Die Finanzverwaltung wird den Steuerberater deshalb im Regelfall als Interessenwahrer des Betroffenen ansehen, der jedoch üblicherweise eher im Konsens arbeitet und in der Regel unformell auf einverständliche Lösungen bedacht ist8. Er genießt Respekt im steuerlichen Bereich.

Auf der anderen Seite ist man sich sehr wohl bewusst, dass der Steuerberater im Regelfall nicht ständig in steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren tätig ist und nur ausnahmsweise in einem Steuerstrafverfahren vor Gericht. Man wird eher davon ausgehen, dass der Berufsangehörige im Bereich des Strafprozesses oder der möglichen Sanktionen einer Steuerstraftat (Verfahrenseinstellung mit oder ohne Geldbuße, Verurteilung per Strafbefehl auf schriftlichem Wege oder in öffentlicher Hauptverhandlung vor dem Amts- oder Landgericht) nicht im Detail bewandert ist. So wie die im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren tätigen Finanzbeamten eher fiskalisch als strafprozessual ausgebildet und ausgerichtet sind, wird auch der steuerliche Berater ebenso eingestuft. Der Rechtsanwalt wird von der Finanzverwaltung dagegen als einseitiger, eher formal agierender Interessenvertreter angesehen. Ihm wird deshalb nicht selten auch mit (für eine optimale Erledigung zu viel) Förmlichkeit entgegengetreten. Man unterstellt ihm, dass er sich insbesondere in den prozessrechtlichen Positionen und Rechtsbehelfen (etwa den strafprozessualen Rechtsmitteln gegen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse, der Geltendmachung von Verwertungsverboten hieraus, der Durchsetzung des in der strafrechtlichen Praxis eminent wichtigen Schweigerechtes eines Beschuldigten9) zu Hause fühlt und diese für den Beschuldigten geltend macht.

Der Strafverteidiger wird deshalb eher als derjenige eingestuft, der den schnellen und aus Sicht der Behörde optimalen Abschluss des Besteuerungs- und des Strafverfahrens verzögern und verhindern kann. Auf der anderen Seite wiederum werden seine steuerlichen Kenntnisse – quasi bis zum Beweis des Gegenteils im Einzelfall – nicht ernst genommen. Es hat sich längst herumgesprochen, dass das Steuerrecht in der theoretischen und praktischen Ausbildung der Juristen stiefmütterlich behandelt wird und es teilweise an grundlegenden Kenntnissen fehlt10.

Darüber hinaus wird man unterstellen, dass der Rechtsanwalt üblicherweise nicht im „Tagesgeschäft“ der Steuerberatung tätig ist und schon aus diesem Grund nicht über die hieraus resultierenden Erfahrungen, manchmal auch der notwendigen Kenntnis der regionalen Besonderheiten bei der Behandlung und Erledigung steuerlicher Sachverhalte verfügt.


8) ebenso Kohlmann, a.a.O. § 392 Rz 10
9) vgl. nur aktuell Streck pp, sowohl für das Besteuerungs- als auch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren: Rechtsbehelfsempfehlungen 473/00 – Wer einmal lügt…, Steuerberatung 2000, S. 571
10) noch im letzten Jahr bewarb beispielsweise ein durchaus renommierter Fachverlag für Rechtsanwalts-Fortbildungsliteratur ein Grundlagenwerk zur Buchführung und Bilanzierung mit dem Schlagwort: ‚Keine Vorkenntnisse nötig!“


 

IV. Konsequenzen für die Praxis

Grundsätzlich muss gesagt werden: Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist nur ein sofortiges Miteinander von Steuerberater einerseits und Rechtsanwalt als Strafverteidiger andererseits richtig.

In der wohl überwiegenden Anzahl der Praxisfälle ist der Kontakt des Betroffenen zu seinem Steuerberater erheblich enger. Regelmäßig besteht ein Dauermandat. Sein erster Ansprechpartner ist daher der steuerliche Berater, der in aller Regel in dieser Situation (zumindest mit-) zu entscheiden hat, mit welcher Beraterbesetzung das Steuerstrafverfahren geführt wird.

Zur Beantwortung dieser Frage ist es zweckmäßig, dass leichte, mittlere und schwere Fälle von Steuerstrafverfahren getrennt betrachtet werden.

1. Leichte Fälle

Leichte Fälle sind dadurch gekennzeichnet, dass die steuerliche Erledigung der Angelegenheit absolut im Vordergrund steht, das Strafverfahren manchmal nur schematisch oder zur förmlichen Blockierung der Selbstanzeige12 eingeleitet wird. Der Sachverhalt ist in allen Einzelheiten bekannt, etwa aufgrund einer Außenprüfung zutage getreten. Zusätzliche klärungsbedürftige Sachverhalte („Leichen im Keller“) gibt es nach Einschätzung des Steuerberaters nicht. Die Finanzverwaltung hat möglicherweise bereits signalisiert, dass von vornherein – die Einigung auf steuerlichem Gebiet mit Nachzahlung des Mehrergebnisses unterstellt – eine Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld ohne jede strafrechtliche Sanktion gemäß § 153 Abs. 1 StPO in Betracht kommt, oder aber gegen ein der Höhe nach überschaubares Bußgeld gemäß § 153 a StPO, möglicherweise auch die Ahndung als Steuerordnungswidrigkeit mit Bußgeld. Auf Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen wurde verzichtet.

In diesem so definierten leichten Fall des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens mag vielleicht noch vertretbar sein, dass die Verteidigung allein vom steuerlichen Berater durchgeführt wird. Das Strafverfahren stellt sich als bloßes Annex zum Besteuerungsverfahren dar. Das steuerliche Mehrergebnis und die hieraus folgenden Konsequenzen (Nachzahlungen, Festsetzung von Veranlagungs- oder Hinterziehungszinsen, Absprachen hinsichtlich Ratenzahlungsvereinbarung, Stundungen, Vollstreckungsaufschub etc.) stehen so weit im Vordergrund, dass daneben die strafrechtliche Sanktion jedenfalls im wirtschaftlichen Endergebnis zu vernachlässigen ist. Das Problem ist nur, dass der steuerliche Berater in der Lage sein muss, den leichten Fall auch als einen solchen einzuordnen. Nicht selten wird gerade ihm nämlich seitens der Finanzverwaltung mit den strafrechtlichen Konsequenzen gedroht (Abgabe an die Staatsanwaltschaft, öffentliche Hauptverhandlung etc.) um ein gewünschtes steuerliches Mehrergebnis ohne Widerstand durchzusetzen. Nur der auch im strafrechtlichen Bereich genügend erfahrene Berufsangehörige wird sich hiervon nicht beeindrucken lassen.

Berücksichtigt werden muss darüber hinaus immer, dass eine kleine strafrechtliche Verurteilung im Einzelfall große Konsequenzen nach sich ziehen kann. Bei einer Verurteilung per Strafbefehl zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen darf sich der Betroffene nicht mehr als unbestraft bezeichnen, die Strafe wird auch in ein polizeiliches Führungszeugnis für private Zwecke eingetragen13. Eine Verurteilung wegen Vorsatzes (im Gegensatz zur Feststellung einer nur leichtfertigen Steuerverkürzung gemäß § 378 AO) führt regelmäßig zum nachträglichen Entzug des bereits gewährten Kostenschutzes durch eine Firmen-Rechtschutzversicherung und zur Rückforderung gezahlter Beträge. Hat sich die ausgeurteilte Steuerhinterziehung zu Gunsten eines Unternehmens ausgewirkt, so kann der hierdurch entstandene Vermögensvorteil (und seit Einführung des sogenannten Bruttoprinzips durch den Gesetzgeber vor einigen Jahren ein Mehrbetrag hiervon) bei dem Unternehmen selbst abgeschöpft werden14. Das wiederum kann insbesondere bei Fremdgeschäftsführern zu Schadenersatzpflicht gegenüber der eigenen Firma führen. Bei Mandanten aus dem öffentlichen Dienst oder mit besonderer Berufsaufsicht sind die berufsrechtlichen Konsequenzen einer strafrechtlichen Verurteilung mit einzukalkulieren15. Die Eintragung einer firmenbezogenen, bußgeldrechtlichen Verurteilung wegen einer Steuerordnungswidrigkeit in das Gewerbezentralregister16 kann das Unternehmen bei späteren Ausschreibungsverfahren entscheidend blockieren und sich so erst im nachhinein als wirtschaftlich äußert bedeutungsvoll herausstellen.

Insgesamt kann man feststellen, dass gerade in leichteren Fällen die außerstrafrechtlichen Konsequenzen einer strafrechtlichen Verurteilung oftmals erheblich schwerer wiegen als der eigentliche Schuldspruch und die festgesetzte Strafe. Deshalb lohnt beispielsweise in vielen Fällen der Kampf um eine Verfahrenseinstellung gegen Geldbuße gemäß § 153 a StPO, auch wenn das finanzielle Ergebnis für den Mandanten auf den ersten Blick dem bei Verurteilung zu einer Geldstrafe per Strafbefehl gleichzustehen scheint. Das ist keinesfalls so, mit der Zustimmung zur Einstellung gegen Geldbuße ist weder straf- noch zivilrechtlich irgendein Schuldanerkenntnis oder gar eine Schuldfeststellung verbunden17. Aus diesem Grund verlangen auch manche Staatsanwaltschaften und Straf- und Bußgeldsachenstellen für ihre Zustimmung zu einer solchen Einstellung eine noch höhere Geldbuße als im Strafbefehlsantrag als Strafe vorgesehen.
Alle diese möglichen Fernwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung müssen bedacht und bei den eigenen Entscheidungen berücksichtigt werden. Es kann daher auch in leichten Fällen nur derjenige Berufsangehörige auf die Mithilfe des Strafverteidigers verzichten, der über genügend eigene Kenntnisse und Erfahrungen hinsichtlich der Prognose und der Auswirkungen der strafrechtlichen Abschlussentscheidung verfügt. Ansonsten sollte er – unbedingt aber vor und nicht erst nach einem steuerlichen Verfahrensabschluss!18 – mindestens noch einen Strafverteidiger konsultieren. Das bedeutet keineswegs zwingend ein anwaltliches Auftreten im Außenverhältnis, die Tätigkeit kann sich in vielen Fällen besser auf eine unauffällige interne Beratung beschränken.


11) vgl. hierzu nach eigener Selbstanzeige: Burkhard in PStR 2001, S. 46
12) vgl. § 371 Abs. 2 Nr. 1 b AO
13) sofern keine Voreintragung wegen einer früheren Verurteilung besteht, § 32 II BZG; einen guten Überblick über die praxisrelevanten Eintragungs- und Tilgungsvorschriften gibt Kalf in StV 1991, S. 132
14) vgl. die Regelungen in den §§ 73 ff. StGB
15) Droht ein disziplinar- oder berufsrechtliches Verfahren, kann ein Abschluss per Strafbefehl deshalb vorteilhaft sein, weil die dort getroffenen Feststellungen vom Disziplinargericht nicht ungeprüft übernommen werden dürfen, im Gegensatz zu den tatsächlichen Feststellungen in einem Strafurteil, vgl. beispielsweise §§ 75 II BDO, 118 III S. 1 BRAO, 109 III S. 1 StBerG; zu einem besonders kritischen Fall berufrechtlicher Konsequenzen schon infolge der Erstattung einer Selbstanzeige durch einen Finanzbeamten in eigener Sache vgl. Flore/Burmann in PStR 1999, 140
16) vgl. §§ 149 Abs. 2 Nr. 3, 151 GewO
17) BVerfG, Beschluß vom 16.1.1991, 1 BvR 1326/90, abgedruckt in NJW 1991, 1530
18) und ggf. bereits vor der Entscheidung, ob der Mandant sich -auch im Rahmen des Besteuerungsverfahrens- nur mit einem Wort zur Sache einlässt!


 

2. Mittlere Fälle

Der mittlere Fall des Steuerstrafverfahrens zeichnet sich dadurch aus, dass die Steuerfahndung – oftmals in enger Zusammenarbeit mit den Veranlagungsbeamten – die ihrer Meinung nach bislang unzutreffenden oder unvollständig bekannten Besteuerungsgrundlagen ermittelt und dabei auch die begangenen Steuerstraftaten und Ordnungswidrigkeiten feststellt. Der mutmaßliche Steuerschaden mag im fünf- bis sechsstelligen DM-Bereich liegen. Beweismittel sind sichergestellt oder beschlagnahmt und müssen wochen- und monatelang ausgewertet werden19.

Eine Mitwirkung des Beschuldigten im Besteuerungsverfahren kann bekanntlich nicht mit den Zwangsmitteln der Abgabenordnung durchgesetzt werden. Nicht selten werden verbleibende Unklarheiten im Rahmen einer Tatsächlichen Verständigung20 beigelegt. Als strafrechtliche Sanktion steht am Ende oftmals die Einstellung des Verfahrens gegen erhebliche Geldbuße gemäß § 153 a StPO oder der Erlass eines (möglicherweise mit der Verteidigung zuvor abgesprochenen) Strafbefehles auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder der Finanzbehörden gemäß § 400 AO21. Kann ein solcher, dem Mandanten gerade die Unannehmlichkeiten des förmlichen Gerichtsverfahrens ersparender Abschluss nicht erreicht werden, so findet am Ende des Strafverfahrens die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht, nämlich beim Strafrichter oder dem Schöffengericht statt, evtl. ein Berufungs- und Revisionsverfahren22.

In diesem Fall mittlerer Schwere kann nur ein Miteinander von Steuerberater und Strafverteidiger – jeder aus seinem Blickwinkel, aber im Außenverhältnis immer koordiniert – die Interessen des Mandanten ausreichend wahren, wie die nachstehenden Überlegungen zeigen.
Der Strafverteidiger allein steht von vorneherein auf verlorenem Posten. Die steuerliche Erledigung ist in wirtschaftlicher Hinsicht im Regelfall mindestens ebenso wichtig wie der strafrechtliche Abschluss. Darüber hinaus muss auch die reine Verteidigung gegen die Strafe zwingend bei der Steuer beginnen. Wo ein Steueranspruch nicht festgestellt worden ist, kann auch nichts verkürzt worden sein. Die strafrechtliche Erheblichkeit hängt von der steuerrechtlichen Erheblichkeit ab23. Verfügt der Rechtsanwalt daher nicht über eine Doppelqualifikation und zusätzlich über entsprechende Erfahrung in der praktischen Steuerberatungstätigkeit, kann er auf den Berufsangehörigen nicht verzichten. Der Steuerberater allein wiederum wird die strafrechtliche Seite des Verfahrens nicht genügend abdecken, und die Finanzverwaltung ist erfahrungsgemäß versucht, sich hierdurch Vorteile zu verschaffen. Es wird ihm nicht selten beispielsweise auch dort zur Herbeiführung einer von der Finanzverwaltung gewünschten Mithilfe des Steuerpflichtigen mit der Abgabe an die Staatsanwaltschaft und damit einer angeblichen Unkontrollierbarkeit des Ermittlungsverfahrens gedroht, wo eine solche Konsequenz faktisch überhaupt nicht zu erwarten ist oder durch Verhandeln vermieden werden kann. Darüber hinaus gibt es Konstellationen, in denen eine Abgabe der Sache weg von der Finanzbehörde an die Staatsanwaltschaft im Interesse des Beschuldigten liegt.
Findet eine Durchsuchung statt, muss der regelmäßig hierdurch geradezu geschockte Mandant – manchmal buchstäblich mit Beraterhänden und Beraterfüßen – eindringlich davor gewarnt und daran gehindert werden, seine steuerliche und strafprozessuale Position durch eigene Spontaneinlassungen an Ort und Stelle endgültig zu verschlechtern24. In diesem Bereich verfügt der Strafverteidiger im Regelfall über mehr Erfahrung und scheut auch notfalls die offene Konfrontation mit den durchsuchenden Beamten nicht, wenn Eingriffsbefugnisse überschritten werden sollen.


19) vgl. § 393 Abs. 1 S. 2 und 3 AO
20) grundlegend hierzu: BFH, Urteil vom 11.12.1984, BStBl. II 1985, S. 354; bestätigt durch BfH vom 05.10.1990, BStBl. II 1991, S. 45; aktuell und mit Zusammenfassung der BFH-Rechtsprechung zur Tatsächlichen Verständigung siehe Rundverfügung der OFD Frankfurt vom 12.04.2000, AZ. S 0223 A – 5 St II 42;
21) durch Strafbefehl darf gemäß § 407 StPO keine schwerere Rechtsfolge als eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zur Bewährung festgesetzt werden.
22) bemerkenswerter Weise stehen dem Betroffenen in weniger gewichtigen Strafsachen eine größere Anzahl von Rechtsbehelfen gegen die Verurteilung zu als in gewichtigen, vgl. §§ 410, 312, 333 StPO.
23) Tipke/Kruse a.a.O. § 208 AO Rz. 23;
24) anschaulich Bornheim in PStR 1999, 111 „Vom Wert des Schweigens“


Zusätzlich ist es in den letzten Jahren ferner in der Praxis immer wichtiger geworden, an welchem Ort der Beschuldigte eine Steuerstraftat begangen hat. Die Intensität der strafrechtlichen Verfolgung der mit den strafrechtlichen Ermittlungen beauftragten Stellen, der Staatsanwaltschaften und teilweise auch der Gerichte ist in einer Art und Weise unterschiedlich geworden, wie man es sich kaum vorstellen kann.

Plakativ: Eine an dem einen Ort unter der Zuständigkeit der einen Staatsanwaltschaft begangene Steuerstraftat führt dort zu intensiver und konzentrierter Strafverfolgung, zur Anordnung von Untersuchungshaft mit formelhafter Begründung von Flucht- oder Verdunkelungsgefahr allein wegen zu geringer Bereitschaft zur Mitwirkung an der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen. Das böse Wort von der (strafprozessual natürlich absolut unzulässigen) Geständnishaft scheint mancher Orts auch in Fällen mit noch überschaubarem Steuerschaden ohne weiteres die tatsächlichen Verhältnisse zu treffen und wird übrigens teilweise auch – allerdings nur in persönlichen Gesprächen, und in keiner offiziellen Stellungnahme – von anderen Behörden der Finanzverwaltung und der Strafverfolgung selbst kritisiert. Anderen Orts führt dagegen eine ebensolche Tat mit absolut vergleichbaren Umständen und identischem Steuerschaden möglicherweise noch nicht einmal zu intensiver Strafverfolgung, bleibt manchmal vollständig unaufgeklärt, oder wird auch unter Berücksichtigung der fiskalischen Belange und des Strafverfolgungsgebotes mit Augenmaß und Ruhe einer Klärung zugeführt, mit einer ganz erheblich geringeren Strafe. Es ist daher auch für erfahrene Strafverteidiger immer wieder schwierig abzuschätzen, welches Maß an Intensität der Strafverfolgung und welche Sanktion der Betroffene einzukalkulieren hat. Dabei ist völlig ausgeschlossen, diese Prognose allein anhand der Gesetzestexte, der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren sowie der AStBV unter weiterer Zuhilfenahme der unterschiedlichen „Strafzumessungstabellen“25 zu treffen. Der Steuerberater wird daher schon für diese Prognosen des strafrechtlichen Verlaufes – die im Laufe eines länger andauernden steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens immer wieder überprüft und gegebenenfalls angepasst werden müssen – die Zusammenarbeit mit dem Strafverteidiger zwingend benötigen, um das Gefahrenpotential für den Mandanten auch nur einigermaßen zuverlässig einschätzen zu können.

Schließlich können steuerliche und strafprozessuale Verwertungsverbote entstehen, wenn Beweismittel auf unzulässige Art und Weise erlangt wurden. Hierzu ist vieles in Rechtsprechung und Literatur noch ungeklärt26, 27. Durch das Nebeneinander von steuerlichen und strafprozessualen Eingriffsbefugnissen entsteht in gleicher Weise ein Nebeneinander von Rechtsmittelmöglichkeiten dagegen. Gerade auf strafprozessualem Gebiet ist in den letzten Jahren die Position des von staatlichen Zwangseingriffen im Ermittlungsverfahren betroffenen Bürgers erheblich gestärkt worden, vornehmlich allerdings nicht durch die Instanzgerichte, sondern zunächst durch den vom Bundesverfassungsgericht gewährten Grundrechtsschutz28. Es kann daher geboten sein, bereits im Ermittlungsverfahren zu steuerlichen oder strafprozessualen Rechtmitteln zu greifen. Zumindest der strafrechtliche Instanzenzug ist aber dem Strafverteidiger regelmäßig vertrauter. Wird auf ihn im Ermittlungsverfahren verzichtet, werden dadurch in der Folge die Rechtsbehelfsmöglichkeiten insoweit nicht ausgeschöpft, kann die Rechtsposition des Mandanten hierunter auch auf rein steuerlichem Gebiet leiden.

Durch eine frühe Zusammenarbeit von Steuerberater und Strafverteidiger kann eine solche Entwicklung dagegen verhindert werden.


25) die im einen Fall nach dem Willen der Finanzverwaltung als angeblich nahezu zwingend angewendet werden sollen, und im anderen Fall dagegen plötzlich nicht. Strafzumessung ist aber grundsätzlich schon nicht per Tabelle möglich, sondern zwingend und immer wieder nur auf den Einzelfall zu beziehen; so auch Tröndle/ Fischer, StGB, § 46 Rz. 106. m.w.N.
26) Zum Meinungsstand und der uneinheitlichen Rechtsprechung etwa bei der Annahme eines strafprozessualen Verwertungsverbotes nach unzureichend begründeter Durchsuchungsanordnung vgl Schoreit in NStZ 1999, 173 (174 f)
27) in steuerlicher Hinsicht vgl. etwa die Kontroverse mehrerer Senate des BFH über die Annahme eines Verwertungsverbotes gem. § 30 a AO bei Steuerfahndungsprüfungen in Banken, hierzu die ausführliche Darstellung der unterschiedlichen Auffassungen im Beschluß des BFH vom 4.9.2000, AZ. I B 17/00, abgedruckt in DStR 2000,1731; Burhoff in PStR 1998, S. 2
28) vgl BVerfG in NJW 1994, S. 2079 m.w.N; Beschluß vom 27. Mai 1997 – 2 BvR 1992/92; BVerfG, 2 BvR 2212/99 vom 5.5.2000, www.bverfg.de; zur vorschnellen Bejahung von „Gefahr im Verzug“ als Eingriffsvoraussetzung vgl aktuell Urteil vom 20. Februar 2001- 2 BvR 1444/00 -, www.bverfg.de


 

3. Schwere Fälle

Vom schweren Fall eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens kann gesprochen werden, wenn aus Sicht der Finanzverwaltung ein hoher Steuerschaden im sechs- bis achtstelligen DM-Bereich zu erwarten ist, möglicherweise einschlägige Vorverurteilungen des Betroffenen zu verzeichnen sind und sich dieser entweder bereits aufgrund eines Haftbefehles in Untersuchungshaft befindet oder aber ein solcher „roter Zettel“ mit der Folge der Anordnung von Untersuchungshaft zu befürchten ist, etwa bei der Annahme von Fluchtgefahr durch Auslandsbeziehungen und aufgrund hoher Straferwartung, aber auch bei befürchtetem Einwirken auf Zeugen oder dem Beiseiteschaffen von Beweismitteln, also bei Verdunkelungsgefahr29.

Ist ein Haftbefehl erlassen, so endet zwar ohnehin die alleinige Ermittlungskompetenz der Finanzbehörde und damit auch die alleinige Verteidigungskompetenz des steuerlichen Beraters gemäß § 386 Abs. 3 StPO. Das bedeutet aber nicht, dass dem inhaftierten Beschuldigten dann automatisch ein Strafverteidiger zur Seite steht oder von der Justiz beigeordnet werden muss.

Gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO muss ihm nämlich durch das zuständige Gericht ein Pflichtverteidiger erst dann bestellt werden, wenn er sich ununterbrochen drei Monate lang in Untersuchungshaft befunden hat (!). In der Praxis erlebt man immer wieder, dass ein Bürger tage- oder wochenlang in Untersuchungshaft sitzt, er selbst, die Familie und gegebenenfalls sein Betrieb innerhalb kürzester Frist unwiederbringlichen persönlichen und finanziellen Schaden erleiden – aber gleichwohl kein Verteidiger beauftragt ist, der in dieser Situation die allernotwendigsten Angelegenheiten (etwa Besuchserlaubnisse für Familie oder zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes, Kautionen, Haftprüfungen etc.) regelt30. Der Strafverteidiger ist daher im schweren Fall zwingend erforderlich. Keineswegs aber kann er dort alleine und ohne den Steuerberater effektiv verteidigen. Selbst wenn der Betroffene vor oder während der Steuerfahndungsmaßnahmen bereits vermögenslos geworden ist, wenn seine Firmen wegen Insolvenz keines Beraters mehr bedürfen, der mutmaßliche Steuerschaden ohnehin nicht zurückgezahlt werden kann, dem Beschuldigten es möglicherweise nur noch darauf ankommt, aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden oder in der Hauptverhandlung eine Bewährungsstrafe beziehungsweise möglichst geringe Strafe zu erhalten – selbst oder gerade in diesen Fällen ist im Regelfall zwingend erforderlich, auch auf steuerlichem Gebiet von Anfang an um jede Position zu kämpfen, den vermeintlichen Steuerschaden so gering wie möglich feststellen zu lassen. Schließlich stellt die Schadenshöhe einen bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt bei der Bemessung der Strafe dar31. Die Steuerstrafverteidigung muss deshalb generell bei der Steuer beginnen, und darf gerade nicht auf einem widerspruchslos hingenommenen Steuerschaden aufbauen. Darüber hinaus kommt der Dauer des Verfahrens nicht selten eine erhebliche Bedeutung zu. Erfahrungsgemäß ist der Verfolgungseifer der Behörden zu Beginn eines Verfahrens am höchsten – und damit die Gefahr für den Betroffenen, durch vorschnelle Äußerungen oder dem Abliefern von Material zu eigenen Lasten die eigene Position sowohl in steuerlicher als auch in strafrechtlicher Hinsicht unwiederbringlich zu schädigen, ohne dass hierzu rechtsstaatlich Veranlassung besteht.


29) Vgl. § 112 StPO
30) Vergleicht man diese gesetzliche Regelung mit dem komfortablen Rechtschutzsystem in zivilrechtlichen und sonstigen Angelegenheiten (öffentliche Rechtsberatungsstellen, Gewährung von Prozesskostenhilfe für Personen mit geringem Einkommen unter Beiordnung von Rechtsanwälten auch für wirtschaftlich und persönlich eher weniger wichtige Rechtsstreitigkeiten etc.) kann man nur von einer rechtstaatlich kaum nachzuvollziehenden Lücke sprechen. Richtig wäre nur, jedem Beschuldigten sofort bei der Vorführung und Verkündung eines Haftbefehles einen Verteidiger zur Seite zu stellen.
31) vgl. § 46 StGB, näher Tröndle/Fischer, StGB, § 46 Rz. 36 m.w.N.


Das kann zu einem buchstäblich „kurzen Prozess“ führen, der seinen Ruf nicht umsonst erworben hat. Es kann zwar im Einzelfall richtig sein, von der ersten Minute an mit den Steuerfahndungsbehörden zusammen zu arbeiten und in der Vergangenheit begangene Unkorrektheiten in vollem Umfang einzuräumen. In vielen relevanten Fällen aber ist das genau der falsche und durch nichts gebotene Weg. Natürlich möchte der Beschuldigte das Steuerstrafverfahren gegen sich möglichst schnell beendet sehen. Nicht selten hat er wegen der aufgedeckten Steuerunehrlichkeit schlichtweg ein schlechtes Gewissen und drängt es ihn, die Dinge richtig zu stellen. Auch wünscht er sich nicht mehr als einen schnellen Abschluss der unangenehmen Sache. Gerade deshalb ist die Gefahr so groß, dass er sich durch blinden Verteidigungsaktionismus oder vorauseilenden Geständnisgehorsam in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle selbst schadet. Viel richtiger ist, zunächst von dem verfassungsmäßig abgesicherten Recht Gebrauch zu machen, das Belastungsmaterial zu prüfen und sich nicht zur Sache einzulassen. Das ist Strafverteidiger-Binsenweisheit und eine Grundregel – und die Schätzungsbefugnis als der hieraus drohenden, negativen steuerlichen Konsequenz32 ist in schweren Fällen ohnehin in Kauf zu nehmen. Im übrigen kann der Beschuldigte schweigen, und gleichwohl können Berater und Verteidiger Material einreichen, durch die niedrigere Besteuerungsgrundlagen als bislang von der Finanzbehörde angenommen wahrscheinlich werden und zu berücksichtigen sind.

Wenn sich nun durch anfängliches Schweigen und fehlende Mitwirkung ein Steuerstrafverfahren verlängert, dann ist es Sache der Berater, dem Beschuldigten aufzuzeigen, dass diese Verlängerung keine Verschlimmerung darstellt, sondern im Regelfall genau das für ihn günstigere Gegenteil. Es entspricht der gefestigten, und in den letzten Jahren deutlich verstärkten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass eine lange – manchmal überlange – Verfahrensdauer sich bei der Strafzumessung zu Gunsten des Beschuldigten auswirken muss33. Darüber hinaus hat der Betroffene während eines zwei Jahre andauernden Ermittlungsverfahrens eher die Gelegenheit, entstandenen Steuerschaden ganz oder teilweise zurückzuführen, als bei Anklageerhebung nach drei Monaten.

Bekanntlich kann nur eine Freiheitsstrafe bis maximal 2 Jahre noch zur Bewährung ausgesetzt werden, § 56 Abs. 2 StGB. Der entscheidende Gesichtspunkt für ein Strafgericht, es in einem zweifelhaften Fall „noch“ bei einer solchen Bewährungsstrafe zu belassen, kann darin liegen, dass bis zur Hauptverhandlung nicht vier Monate, sondern eben zwei Jahre vergangen sind, und der Beschuldigte in der Zwischenzeit seine bürgerliche Existenz aufrechterhalten konnte, Schaden wieder gutgemacht und neu im bürgerlichen Leben Fuß gefasst hat.

Alle diese Gründe können den Ausschlag dafür geben, dass der Betroffene eines Steuerstrafverfahrens gerade nicht durch eigene Mitwirkung zu Beginn des Ermittlungsverfahrens an der Feststellung der steuerlichen Grundlagen und damit an der Verfahrensbeschleunigung selbst mitarbeitet34.

Taktische Gesichtspunkte können eine Rolle spielen. Den Strafgerichten ist grundsätzlich untersagt, das von der Finanzverwaltung gefundene steuerliche Mehrergebnis ungeprüft den Feststellungen des Strafurteiles zugrunde zu legen. Der Bundesgerichtshof hat gerade diesen Grundsatz – eigene Feststellungs- und Prüfungspflicht des Strafgerichtes – in den letzten Jahren in einer Vielzahl von Urteilen immer wieder betont35. Zwar kann auch der Strafrichter einen Steuerschaden schätzen – aber keineswegs die nach anderen Verfahrensgrundsätzen und ohne Berücksichtigung des strafprozessualen Grundsatzes „in dubio pro reo“ durchgeführte Schätzung des Finanzamtes ungeprüft übernehmen, sondern nur unter erheblich engeren Voraussetzungen36. Die detaillierte Berechnungsdarstellung kann dagegen im Strafurteil ausnahmsweise dann entbehrlich sein, wenn der Täter selbst über ausreichende Sachkunde in steuerlicher Hinsicht verfügt und ein glaubhaftes Geständnis abgelegt hat37.


32) vgl. § 162 AO, hierzu unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH Frommel/Rogall in StuW 1995, S. 58, die sehr weitgehend die in der AO normierten Mitwirkungspflichten im Steuerstrafverfahren für unvereinbar mit Art 6 I MRK ansehen.
33) grundlegend BGH, Beschluss vom 03.11.1989 – 2 StR 646/88, abgedruckt in NJW 1990, S. 1000 (Herstatt-Fall); BGH, Beschluss v. 26.06.1996 – 3 StR 199/95, abgedruckt in NJW 1996, S. 2739; aktuell BGH, Urteil v. 10.11.1999 – 3 StR 361/99, abgedruckt in NJW 2000, S. 748;
34) dem Kantinen-Merksatz „Wer viel gestanden hat, muss lange sitzen“ kann in der Praxis die Berechtigung nicht abgesprochen werden, während sich andererseits im Einzelfall natürlich auch ein frühes Geständnis erheblich strafmildernd auswirken kann.
35) Ständige Rechtsprechung des für Steuerstraftaten zuständigen 5. Strafsenats des BGH, zuletzt Beschluss vom 25.10.2000, 5 StR 399/00: „Die Anwendung steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften auf den festgestellten Sachverhalt ist ebenso Rechtsanwendung wie die daraus folgende Berechnung der verkürzten Steuern bzw. der nicht abgeführten Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, durch die der jeweilige Schuldumfang der Straftat bestimmt wird. Diese Rechtsanwendung obliegt dem Strafrichter, nicht den als Zeugen gehörten Ermittlungsbeamten oder Beamten der Finanzverwaltung“.
36) Anschaulich zur Unterschiedlichkeit der steuerlichen und strafrechtlichen Schätzungen BGH 5 StR 269/99, abgedruckt in NStZ 1999, S. 581.
37) BGH 5 StR 554/93, Urteil vom 22.09.1993, m.w.N


Überdies kann der Strafrichter der Tatsache, dass Steuerbescheide unangegriffen geblieben sind, zumindest faktisch erhebliche Indizwirkung zu Lasten des Beschuldigten beimessen38. Deshalb kann es mit Blick auf das Strafverfahren richtig sein, Steuerbescheide mit Rechtsmitteln auch dann anzugreifen, wenn die Erfolgsaussichten als unsicher eingeschätzt werden müssen.

Andererseits kann es erheblich vorteilhafter sein, verbleibende Unklarheiten bei den Besteuerungsgrundlagen im Rahmen einer Tatsächlichen Verständigung39 zu regeln. Bestandteil einer solchen Verständigung ist im übrigen nicht eine Äußerung des Steuerpflichtigen zu den Sachverhalten, erst recht kein steuerliches oder strafrechtlich relevantes Geständnis. Hierauf sollte bei der Protokollformulierung auf Beraterseite geachtet werden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass durch protokollierte Erklärungen des Steuerpflichtigen persönlich sehr wohl mindestens eine faktische Bindung im Steuerstrafverfahren entsteht40 oder seine Äußerungen vom Strafgericht jedenfalls indiziell zu seinem Nachteil gewertet werden.

Darüber hinaus kann die Bereitschaft einer Staatsanwaltschaft oder eines Gerichtes zum Abschluss eines strafprozessualen „Deals“ – der Verständigung mit der Verteidigung und dem Angeklagten über eine mögliche Abkürzung des Verfahrens durch Absprachen über ein bestimmtes, für alle Beteiligten akzeptables Verfahrensende41 – mit einem oftmals für den Mandanten sehr günstigen Ergebnis entscheidend dadurch gefördert werden, dass man eine lange, und immer noch für manchen Strafjuristen sehr fremde Beweiserhebung über Steuerschaden in Form verschiedenster Steuerarten einschließlich möglicher Kompensationen ersparen kann, die bei streitiger Fortführung des Verfahrens noch droht. Um hier die für den Mandanten bestehendenSpielräume konsequent – und immer noch ausschließlich mit strafprozessual und steuerrechtlich einwandfreien Mitteln! – ausnutzen zu können, bedarf der Strafverteidiger auch im schweren, ganz überwiegend von den strafrechtlichen und nicht den steuerlichen Rechtsfolgen geprägten Fall zwingend der Zusammenarbeit mit dem Steuerberater.


38) Vgl. Kohlmann, a.a.O. § 370, Rz. 158 unter Hinweis auf BGH ZfZ 1959, S. 301 (Bewertung als strafprozessuales Geständnis, wenn der Steuerpflichtige die steuerliche Schätzung nach § 162 AO nicht bestreitet)
39) Vgl. oben FN 20
40) ebenso Streck, Die Steuerfahndung, Rz. 664 ff.
41) Grundlegend hierzu für eine solche Absprache in der Hauptverhandlung vor Gericht: BGH 4 StR 240/97, abgedruckt in wistra 1997, 341, zur Rechtsentwicklung der Verständigung im Strafverfahren und zum aktuellen Stand vgl. Meurer in NJW 2000, 2936 (2944)


 

V. Sonderfall: Die „verbrannten“ Berater

Hat der Mandant sich steuerunehrlich verhalten, dann wird er das in aller Regel nicht zuvor mit seinem Steuerberater oder auch seinem in zivilrechtlichen Angelegenheiten tätigen Rechtsanwalt erörtert haben. Auch den Beratern werden nur die „offiziellen“ Zahlen (des Umsatzes, der Erbschaft, der Zinseinnahmen etc.) oder Daten (etwa des Abschlusses eines schriftlichen Vertrages) mitgeteilt.

Erfährt der Steuerberater nun erstmals durch das von der Fahndung vorgelegte Material, dass beispielsweise bei einem Selbständigen Einkäufe und Umsätze tatsächlich wohl geschönt worden sind, so mag er eher aus persönlichen Gründen die Entscheidung treffen, ob er die (Mit-)Verteidigung des Mandanten im Steuerstrafverfahren gleichwohl übernehmen will42. Berufsrechtliche Hindernisse gegen die Übernahme der Verteidigung oder Fortführung der steuerlichen Beratung durch ihn gibt es jedenfalls nicht.

In Einzelfällen aber bestehen aus Sicht der Ermittlungsbehörden Anhaltspunkte dafür, dass dem Berater schon vor Verfahrenseinleitung Tatsachen bekannt gewesen sind, die auf Steuerunehrlichkeit hindeuten oder diese gar beweisen. Der selbe Verdacht kann etwa zu Lasten eines Rechtsanwaltes entstehen, der bei der wirtschaftsrechtlichen Beratung des Steuerpflichtigen als Anwaltsnotar oder als Rechtsanwalt juristische Hilfestellungen geleistet hat (etwa durch Formulierung von Gesellschaftsverträgen), die aus Sicht der Steuerfahndung den Verdacht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung begründen können.

In einem solchen Fall ist nur eines richtig: Die frühe Mandatsniederlegung. Ein so belasteter Berater ist verbrannt. Dabei kommt es nach Auffassung des Verfassers noch nicht einmal darauf an, ob der von der Steuerfahndung gehegte Verdacht im Ergebnis berechtigt ist oder nicht: Welcher Verteidiger kann im Steuerstrafverfahren wirkungsvoll für die Belange des Betroffenen eintreten, argumentieren, Alternativen zu dem von der Steuerfahndung aufgezeichneten Geschehensablauf aufzeigen – wenn er auf der anderen Seite selbst im Verdacht steht, an den zweifelhaften Vorgängen der Vergangenheit bewusst mitgewirkt zu haben? Unter Umständen wird man zu seinen Lasten sogar für möglich halten, dass er bei seinen Verteidigungsbemühungen weniger den Interessen des Mandanten folgt, sondern eher an die eigene Haut denkt und unter Umständen gerade die Verteidigung deshalb nicht in fremde und neutrale Hände gibt, um über den Stand des Verfahrens aus Eigeninteresse heraus immer auf dem Laufenden zu bleiben. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass ein solches Verhalten – sofern der Verdacht zutrifft – berufsrechtlich zu beanstanden wäre und jedenfalls die weitere Tätigkeit dem persönlichen Ansehen des Berufsangehörigen oder des Rechtsanwaltes abträglich sein muss.
Die Mandatsniederlegung kann im übrigen auch in allen Fällen im Interesse des Mandanten angezeigt sein, in denen der früher tätig gewesene Berater als Entlastungszeuge in Betracht kommt. Bekanntlich kann selbst bei objektiv steuerrechtswidrigen Handlungen die strafrechtliche Schuld dann fehlen, wenn der Steuerpflichtige sich auf die Empfehlung seines vollständig und wahrheitsgemäß informierten Steuerberaters verlassen hat und er zu Zweifeln keinen Anlass sehen musste43. Selbst wenn ein objektiv falscher Rat gegeben wurde, so wird man auch dem Berater keinen strafrechtlichen Vorwurf deshalb machen können, ihm fehlt in der Regel der Vorsatz zur Förderung einer rechtswidrigen Tat44. Gerade in einer solchen Konstellation wäre der frühere Berater ein schlechter Strafverteidiger, da in die Vorgänge mit involviert – aber ein sehr wertvoller Zeuge, der entscheidend zur Entlastung des Betroffenen beitragen kann (und bei entsprechender Befreiung von seiner Schweigepflicht auch mit wahrheitsgemäßer Aussage beitragen muss)45.

Schließlich sollte auch die Mandatsübernahme im Steuerstrafverfahren dann abgelehnt werden, wenn sich der Mandant in früheren Zeiten wegen einer möglichen Selbstanzeige gemäß § 371 AO hat beraten lassen, der Empfehlung aber dann doch nicht gefolgt ist. Nach der Leitlinie „Was der Verteidiger sagt, muss wahr sein, aber er darf nicht alles sagen, was wahr ist“ ist in einem solchen Fall eine kraftvolle Strafverteidigung durch denjenigen Berater nicht möglich, der aufgrund der im Rahmen der möglichen Selbstanzeige erörterten Umstände die strafbare Wahrheit kennt. In diesem Fall riskiert er sogar eigene Strafbarkeit, wenn er nicht nur in strafprozessualer Hinsicht verteidigt, sondern den Steuerpflichten auch bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen gegenüber dem Finanzamt vertritt. Der Bundesgerichtshof hat unlängst noch die Strafbarkeit eines Rechtsanwaltes festgestellt, weil dieser an einer Tatsächlichen Verständigung über die Besteuerungsgrundlagen mitgewirkt hatte und man ihm nachweisen konnte, dass er dabei in Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse eine gegenüber den wahren steuerlichen Verhältnissen zu niedrige Besteuerungsgrundlage durch Verständigung erwirkt hatte46.


42) Jedenfalls bedarf der Mandant gerade in dieser, für ihn nicht selten die finanzielle Existenz insgesamt bedrohenden Situation im besonderen Maße des Beistandes eines kundigen Beraters auch in steuerlicher Hinsicht. Verteidigung bedeutet eben nicht Kumpanei, sondern stellt einen rechtsstaatlichen Mindeststandard dar, für den Schuldigen wie für den Unschuldigen in gleicher Weise.
43) So auch Kohlmann, a.a.O, § 378 Rz. 81 m.w.N.
44) hierzu im Einzelnen Kohlmann a.a.O., § 370 AO, Rz. 211
45) Es sei denn, er gerät hierdurch in die Gefahr eigener Strafverfolgung und nimmt sein Auskunftsverweigerungsrecht wahr, vgl. §§ 55 StPO, 378 AO
46) BGH 5 StR 746/97, abgedruckt in wistra 1999, S. 103


Die Beratungsspielräume sind sicherlich in den letzten Jahren insgesamt geringer geworden. So hat beispielsweise der für Steuerstrafsachen allein zuständige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes in der ersten Entscheidung zur Strafbarkeit von Bankenmitarbeitern in den Luxemburg-Geldtransfer-Fällen die Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in einem Fall bestätigt, in dem ein Bankmitarbeiter bei seiner berufsmäßigen Hilfestellung gerade nicht positiv wusste, dass der Kunde den Auslandstransfer zur späteren Begehung einer Steuerstraftat einsetzen wollte, sondern auch einen „legalen“ Sachverhalt für möglich hielt47. Es genügte jedoch für seine Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, dass der Bankmitarbeiter das Risiko einer geplanten Steuerunehrlichkeit seines Kunden nach den Urteilsfeststellungen „für überaus wahrscheinlich“ halten musste und gleichwohl den Geldtransfer ins Ausland ermöglichte.

Schließlich sei noch hingewiesen auf die drohende 2. Geldwäsche-Richtlinie der EU, die – so sie verabschiedet und umgesetzt wird – vom Berater sogar aktives und heimliches Handeln zu Lasten seines Mandanten verlangt(!)48.

Jedenfalls muss der durch positive Kenntnis oder aus früherer Tätigkeit „verbrannte“ Berater in allen aufgezeigten Konstellationen sein Mandat im späteren Steuerstrafverfahren lieber zu früh als zu spät niederlegen, zugunsten seines Mandanten – der eines von den Untersuchungsbehörden als neutral eingeschätzten Beraters bedarf – und auch aus Gründen der Eigensicherung49.

VI. Hinweise für die Zusammenarbeit

Für eine optimale Zusammenarbeit zwischen Steuerberater und Strafverteidiger lassen sich einige einfache Praxisregeln aufstellen.

Möglichst frühzeitige gegenseitige Einschaltung!

Auch in den Fällen, in denen es ratsam ist, dass der Mandant selbst den Ermittlungen der Steuerfahndung zunächst nur abwartend und passiv gegenübertritt, wird der Steuerberater jedenfalls versuchen, durch Kontakt mit den Fahndern den Standpunkt des Mandanten einzubringen. Die Verhandlungsspielräume sind in einem früheren Stadium höher, wenn beispielsweise die Tabellenkalkulationen der Fahndungsbeamten noch nicht bis in alle Einzelheiten ausgefeilt sind. Gleiches gilt aus strafrechtlicher Sicht. Je früher Strafverteidigung beginnen kann, je größer sind Einflussmöglichkeiten.

Vorbehaltslose und eifersuchtsfreie Beraterzusammenarbeit!


47) BGH 5 StR 624/99, abgedruckt in NJW 2000, S. 3010; in der Begründung hat der BGH in dieser Entscheidung allerdings zu sprachlichen Formulierungen gegriffen („… ließ sich die Förderung der Taten angelegen sein …“), die eine Abgrenzung von erlaubter/verbotener Beratungstätigkeit zukünftig eher erschweren als dass klare Abgrenzungskriterien vorgegeben werden.
48) Vgl hierzu umfassend Bockelmann in Steuerberatung 2001, S. 127 (Heft 3)
49) noch weitergehend im Erg. Kohlmann. a.a.O. § 392 Rz. 12, der eine Beschränkung des Berufsangehörigen auf die bloße interne Beratung im Innenverhältnis generell in allen Fällen empfiehlt, in denen vor Verfahrenseinleitung bereits ein Steuerberatungsmandat bestanden hat.


Es darf keine Reibungsverluste geben. Kein Problem tritt hierbei auf, wenn der neu hinzutretende Berater – in der Regel ist das der Strafverteidiger – durch den kontinuierlich tätigen Steuerberater empfohlen wird. In anderen Fällen entspricht es nur dem Interesse des Mandanten, eine optimale und vorurteilsfreie Zusammenarbeit anzustreben. Steuerberater und Strafverteidiger können nur gemeinsam ein optimales Beratungsergebnis erzielen. Ist man sich dessen bewusst, darf es eigentlich nur gutes Miteinander geben. Kommt es dagegen zu Eifersüchteleien bis hin zu dem Extremfall, dass dem Mandanten unterschiedliche und widersprüchliche Empfehlungen gegeben werden oder gar der eine Berater versucht, ihn gegen den anderen einzustellen, dann kann nur zu Lasten des unprofessionell agierenden Beraters ein sofortiger Mandatsentzug folgen. Reagiert dieser daraufhin auch noch beleidigt, ist sehr ratsam, dass zudem noch ein schriftlicher und deutlicher Hinweis auf die für ihn auch nach Mandatsbeendigung fortdauernde Schweigepflicht erfolgt.

Im übrigen muss selbstverständlich der Versuchung strikt widerstanden werden, dem Mandanten seinen bisherigen Berater aus- und den eigenen, kooperierenden Berater einzureden. Die Mandatsentbindung zu eigenen Lasten kann schnell Folge sein. Darüber hinaus begibt man sich natürlich der Chance, einen neuen, fachlich interessanten Kontakt aufzubauen. Schließlich kann gerade der auf bestimmte Fallkonstellationen spezialisierte, neu hinzutretende Berater nie mehr auf eine spätere Empfehlung hoffen, wenn er bei dem Versuch ertappt worden ist, den Mandanten unzulässig abzuwerben.

Verteidigungstätigkeiten koordinieren, Zwischenergebnisse austauschen!

Steuerliche und strafrechtliche Beratung existieren nicht getrennt nebeneinander. So wie die Finanzverwaltung im Verfahren immer wieder wechselt zwischen den Eingriffsbefugnissen nach Abgabenordnung und nach Strafprozessordnung, so wie man dort in den Verhandlungen immer wieder (vornehmlich den Strafverteidiger) warnt vor negativen steuerlichen Konsequenzen und (vornehmlich den Steuerberater) negativen strafrechtlichen Folgen, so muss auch bei Verteidigung in Steuerstrafsachen auf beiden Feldern gleichzeitig gearbeitet werden.

Je nach Verfahrenslage gemeinsam oder getrennt verhandeln!

Gerade in Situationen, in denen eine einverständliche Gesamterledigung sowohl des Besteuerungs- als auch des Strafverfahrens50 festgefahren scheint, weil entweder die Vorstellungen hinsichtlich eines steuerlichen Mehrergebnisses zwischen Finanzbehörde und Berater nicht in Übereinstimmung zu gelangen scheinen, oder es an der Annäherung hinsichtlich der strafrechtlichen Folgen fehlt, können informelle Gespräche etwa des steuerlichen Beraters mit den Beamten des Veranlagungsfinanzamtes wieder Bewegung bringen. Umgekehrt mag ein Vorstoss des Strafverteidigers gegenüber der Staatsanwaltschaft oder den (je nach Bundesland) BuStra – beziehungsweise StraBu- Beamten zum Erfolg führen. In länger andauernden Verfahren spricht auch die Finanzverwaltung im Regelfall nicht mit einer Stimme, treten auch dort unterschiedliche Auffassungen über die Erledigung des Falles auf. Es kann taktisch geradezu geboten sein, hier den Verhandlungsspielraum getrennt auszuloten, sozusagen als jeweiliger „Vertreter ohne Vertretungsmacht“.


50) ein „Gesamterledigungspaket“ ist jedenfalls unbedingt anzustreben und kann in sehr vielen Fällen bei genügender Beharrlichkeit auch durchgesetzt werden.


Darüber hinaus ist im Regelfall geboten, der Finanzverwaltung die Position und die eigene Schmerzgrenze einer Einigung zunächst nicht zu offenbaren. In einer derartigen Situation kann sich ein Verhandeln nach dem alten Strickmuster „guter Cop, böser Cop“ anbieten – indem beispielsweise einer der Berater förmliche Rechtspositionen vertritt und finanzgerichtliche oder strafprozessuale Verfahren und Rechtsmittel in Aussicht stellt, während der andere eher den Konsens anstrebt.
Wem bei derlei Ratschlägen unwohl wird und wer den Vorwurf der Scharlatanerie fürchtet, dem sei entgegengehalten: Die Beamten der Finanz- und Strafverfolgungsbehörden taktieren doch ebenso und oftmals mit einer Intensität und Perfektion, dass man auf Beraterseite nur davon lernen kann.

Wenn in der Praxis beispielsweise Strafbefehle zu einem Jahr Haft auf Bewährung gegen exorbitant hohe Geldbußen geradezu „verkauft“ werden, wenn strafrechtliche Milde ganz offensichtlich von der Akzeptanz eines hohen steuerlichen Mehrergebnisses abhängig gemacht wird, wenn in manchen Fällen – etwa bei Steuerstrafverfahren gegen mehrere Familienmitglieder – eine wirtschaftlich und persönlich sinnvolle Gesamterledigung der Angelegenheit davon abhängig ist, dass einzelne Betroffene steuerliche oder strafrechtliche Konsequenzen akzeptieren, die auf sie persönlich bezogen ersichtlich unzutreffend sind, wenn gar die Erledigung eines Verfahrens manchmal ausschließlich vom Wechsel des zuständigen Dezernenten bei der Staatsanwaltschaft oder dem Finanzamt abhängt (!), – dann erfordert die Beistandsfunktion auf Seiten der Berater gegenüber dem Steuerpflichtigen, dessen Verteidigung und Vertretung auch unter taktischen und rein verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten – selbstverständlich in den rechtstaatlichen Grenzen – zu betreiben.

VII. Fazit:

Nur eine gute und frühzeitig beginnende Zusammenarbeit zwischen Steuerberater und Strafverteidiger wahrt die Interessen des Betroffenen im Steuerstrafverfahren optimal. Nebenbei: Man kann dabei immer wieder neu von der anderen „Beraterzunft“ lernen und den eigenen Erfahrungshorizont erweitern. Dazu sollte man sich ungeachtet der eigenen Kenntnisse, Verdienste und Erfahrungen nie zu schade sein.