in: Die Wohnungswirtschaft, Hefte 10 und 11 aus 2000, Seiten 82 und 13 f.: Praxis bei Korruption und Angestelltenbestechung.

abgedruckt im “ Die Wohnungswirtschaft “ Hefte 10 u. 11/2000

„Nützliche Zuwendungen“ für Angestellte und Beamte im Rahmen von Geschäftsbeziehungen und insbesondere bei Auftragsvergaben wurden in Deutschland jahrzehntelang nicht als Problem erkannt. Behördeninterne Umsetzungen oder allenfalls Entlassungen „in gegenseitigem Einvernehmen“ waren allenfalls die Folge. Die Einschaltung von Polizei oder Staatsanwaltschaft wurde um des guten Rufes und des Betriebsfriedens willen vermieden. Vermischungen von dienstlich begründeten und privaten Zuwendungen, großzügiges „Sponsoring“ bis weit in den persönlichen Bereich hinein waren in einigen Branchen praktisch an der Tagesordnung. Der Gesetzgeber und die Justiz hatten sich in der Vergangenheit weitgehend herausgehalten. Sogar der Fiskus erkannte Schmiergeldzahlungen als Betriebsausgaben an. Jetzt sind diese Zeiten vorbei. Gesetze und Verfolgungsklima haben sich deutlich geändert. Der nachstehende Beitrag soll hierzu einen Praxisüberblick und einige Hinweise geben, sofern ein Unternehmen von der Problematik „nützlicher Zuwendungen“ betroffen ist. Neue Gesetze weiten den verbotenen Bereich und die Verfolgung erheblich aus

Zunächst durch das Jahressteuergesetz 1996 wurde das Abzugsverbot für Schmiergeldzahlungen eingeführt, weiter verschärft durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/00/02.
Im Jahr 1997 folgte das Korruptionsbekämpfungsgesetz. Es führte zunächst einen neuen Tatbestand in das Strafgesetzbuch ein (§ 298 „Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen“). Nach alter Rechtslage musste bei Aufdecken einer unzulässigen Bieterabsprache zur Feststellung von Strafbarkeit eine Schädigung des Auftraggebers etwa durch zu hohen Zuschlagspreis nachgewiesen werden. Damit ist es nun vorbei. Strafbar macht sich schon, wer bei einer öffentlichen oder privaten Ausschreibung ein Angebot abgibt (auch ohne später den Zuschlag zu erhalten), das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht.
Neu aufgenommen wurde § 299, „Bestechlichkeit und Bestechung im (privaten) geschäftlichen Verkehr“. Eine ähnliche Verbotsvorschrift hatte bisher jahrzehntelang ein kümmerliches Dasein gefristet, es sah nur eine Haftstrafe von höchstens einem Jahr vor, die Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft war an einen Strafantrag des betroffenen Unternehmens gebunden. Damit ist es jetzt vorbei, der Strafrahmen wurde auf maximal fünf Jahre bei unlauterer Bevorzugung eines Auftragnehmers im privaten Geschäftsverkehr zulasten der eigenen Firma ausgeweitet, und die Staatsanwaltschaft kann die Verfolgung auch gegen den Willen der betroffenen Firma vorantreiben.
Bei der sogenannten Vorteilsannahme (§ 331 StGB, ein Amtsträger nimmt Zuwendungen bei ansonsten korrekter Amtsführung) kommt es nicht mehr wie bei früherer Rechtslage darauf an, einen direkten Zusammenhang zwischen einer konkreten Diensthandlung und der „Aufmerksamkeit“ zu beweisen. Es reicht, wenn Zuwendungen erfolgt sind, die eine besonders freundliche Dienstausübung begünstigen sollen. Dieser Zusammenhang ist in der Praxis schnell hergestellt.
Bei der aktiven und passiven Bestechung eines Amtsträgers (§ 332 StGB, also der klassischen Korruption, Zahlen von Schmiergeld für rechtswidrige Bevorzugungen) wurde der Strafrahmen für besonders schwere Fälle auf bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe ausgedehnt. Ein solcher schwerer Fall soll insbesondere dann anzunehmen sein, wenn es über längere Zeiträume feste „Vergütungsabsprachen“ gibt, erhebliche Zahlungen im Raum stehen oder eine regelrechte Nebenerwerbsquelle (die in der Praxis manchmal zur Haupterwerbsquelle wird) entsteht.
Im Einzelfall kann die Frage schwierig zu beantworten sein, ob jemand als Amtsträger einzustufen ist, der sich wegen Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit sehr viel schneller strafbar machen kann, oder nur als privater Funktionsträger mit dem erheblich geringeren Risiko. Auf eine förmliche Beamtenstellung kommt es nicht an, ferner nicht darauf, ob der Betreffende in einer Behörde tätig wird oder im Rahmen einer privaten Rechtsform, etwa der ausgegliederten GmbH. Entscheidend ist, ob eine Tätigkeit im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben vorliegt. So wurde auch beispielsweise der freiberuflich tätige Architekt einer kleinen Gemeinde, der dort praktisch das Bauamt auf Honorarbasis ersetzt hat, als Amtsträger angesehen. Nach der Neufassung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes dürfte auch der nicht nur in untergeordneter Position in einem Unternehmen des sozialen Wohnungsbaus tätige Mitarbeiter als Amtsträger einzustufen sein. Ob er in der kommunalen Behörde oder einer völlig eigenständigen, längst ausgegliederten GmbH oder Genossenschaft arbeitet, darauf kommt es gerade nicht an. So mancher ist in diesem Sinne Amtsträger, und ahnt es gar nicht.
Von großer praktischer Bedeutung ist auch, daß jetzt in schweren Fällen sowohl bei Privatunternehmen als auch bei Amtsträgern erhaltene Zahlungen und sonstige Vermögensgegenstände wieder entzogen werden können (sogenannter erweiterter Verfall) und neben einer Gefängnis- auch eine Vermögensstrafe angeordnet werden kann. Schließlich sind zuletzt im Jahr 1998 und 1999 noch die Gesetze zur Bekämpfung internationaler Bestechung und das EU-Bestechungsgesetz in kraft getreten, die Zuwendungen an ausländische Amtsträger (etwa EU-Beamte bei internationalen Ausschreibungen oder im Rahmen von Subventionserlangungen) unter Strafe stellen, auch wenn die Tat teilweise im Ausland begangen und dort überhaupt nicht strafbar ist. Auch in den Beamtengesetzen sind die Verbotsvorschriften klarer und enger gefaßt worden, und sogar wurde eine Art „Kronzeugenregelung“ für einen wegen Bestechlichkeit aus dem Dienst entfernten Beamten eingeführt, der einen Teil seiner Versorgungsbezüge behalten kann, wenn er aktiv an der Aufdeckung von Korruptionsmißständen in seiner ehemaligen Behörde mitarbeitet.
Fazit:
Der Gesetzgeber hat in den letzten vier Jahren ganz erhebliche Anstrengungen unternommen, um die „Bakschischwirtschaft“ im öffentlichen Leben und privaten Geschäftsverkehr wirksam zu bekämpfen. Vorbei ist es mit dem Leidbild vom ohnehin unbestechlichen preußischen Beamten und dem Zeit seines Berufslebens absolut korrekten und dem Unternehmen gegenüber loyalen Angestellten.
Nach der Gesetzeslage ändert sich momentan auch die Verfolgungspraxis ebenso deutlich: In vielen Behörden wurden zusätzliche Innenrevisionen zur Bekämpfung der Korruption eingeführt. Einige Bundesländer haben Schwerpunktstaatsanwaltschaften bestimmt. Gleiches gilt für Polizeidienststellen. Im Jahr 1998 wurden beispielsweise allein in Nordrhein- Westfalen sechsmal so viele Ermittlungsverfahren wegen Korruptionsdelikten eingeleitet wie 1994. Es werden speziell fortgebildete Beamte eingesetzt, die von Anfang an die Vermögensverhältnisse des Verdächtigen (und seines privaten Umfeldes!) untersuchen und sicherstellen sollen, daß noch vorhandene Vermögenswerte schon während des laufenden Ermittlungsverfahrens sofort arrestiert und bei rechtskräftiger Verurteilung endgültig zurückgeführt werden können. Problematisch: Die Grenze des Erlaubten

Keine Probleme bereiten die eindeutigen Fälle. Es macht sich strafbar und ist sich über das Risiko bewußt, wer den Renovierungsauftrag für kommunale Wohnungen an ein Unternehmen vergibt, und sich gleichzeitig kostenlos neue Fenster in sein Privathaus einbauen läßt. Gleiches gilt für den, der gegen Beschäftigung eines nahen Angehörigen „auf dem Papier“ aber mit guter Bezahlung durch ein Tiefbauunternehmen dazu verleitet wird, Ausschreibungsunterlagen und Angebotspreise des Wettbewerbes vorab herausgeben, oder aber die ordnungsgemäße Prüfung vor Freigabe der Baurechnungen unterläßt. Diese Fälle sind klar, bedürfen keiner Erläuterung.
So einfach aber stellt sich die Sachlage nach den gesetzlichen Neufassungen leider nicht mehr durchgängig dar. Darf der Tischkalender mit Kugelschreiber noch angenommen werden? Liegt nicht eine für Krankenhausärzte kostenlose Schulung durch ein Pharmaunternehmen geradezu im öffentlichen Interesse? Darf dort noch vom kostenlosen Buffet gegessen werden (Frikadelle ja/Hummer nein)?
Es ist äußerst schwierig geworden, hier in allen Fällen eine exakte Grenze zwischen Erlaubtem und Verbotenen zu bestimmen – zumal das Korruptionsbekämpfungsgesetz ausdrücklich sowohl bei Amtsträgern als auch Angestellten die Drittbegünstigung ohne Beweis jeglichen eigenen Vorteils für den Betroffenen unter Strafe stellt. Einig ist man sich, daß „sozialadäquate“, noch „übliche“ Zuwendungen erlaubt bleiben sollen. Niemand kann in vielen Fällen nur definitiv sagen, wo die Grenze überschritten wird. Feste DM-Beträge kann es nicht geben. Für einen Ministerialdirigenten im Wohnungsbauministerium kann sicherlich eine höhere Zuwendung noch als üblich und sozialadäquat angesehen werden, als für den Sachbearbeiter der kommunalen Wohnungsbaugenossenschaft.
Viele Behörden und kommunale Betriebe haben ebenso wie größere Privatunternehmen interne Richtlinien mit Wertgrenzen eingeführt, bei deren Überschreitung entweder ein Verbot der Annahme oder zunächst nur Meldepflicht entsteht. Diese internen Regelungen können einen wichtigen Hinweis auf die Sozialüblichkeit oder das Betreten des Verbotsbereichs geben.
Dem Amtsträger wird man wirklich nur noch den Blumenstrauß (und nicht die Neugestaltung seines Gartens!) zukommen lassen dürfen, Kalender und Kugelschreiber mit Werbeaufdruck. Auch kostenlose Fortbildung ist im Kern noch erlaubt – wird jedoch bereits dann problematisch, wenn das „Begleitprogramm“ attraktiver ist als der Fachvortrag und das Luxushotel einschließlich Opern-Begleitprogramm ersichtlich dazu dienen soll, die Entscheidungsträger bei zukünftigen Auftragsvergaben im Sinne des „Sponsors“ zu beeinflussen. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage ist jetzt eben schon ein allgemeines „Anfüttern im Beamtenzoo“ verboten.
Auch bei der uneigennützigen Begünstigung von Dritten kann leicht Strafbarkeit entstehen: Wer als Fremdgeschäftsführer eines Privatunternehmens oder zuständiger Abteilungsleiter einer Behörde vor freihändiger Auftragsvergabe verlangt, daß zunächst der örtliche Kindergarten mit einer kräftigen Spende unterstützt wird, macht sich nach neuem Recht strafbar.
Weiterhin straflos dagegen bleiben nach wie vor Zuwendungen an Firmenmitarbeiter oder Amtsträger, die ausschließlich aus privaten Motiven heraus und völlig unabhängig von früheren, gegenwärtigen oder zukünftigen Diensthandlungen geschehen. Je höher derartige „Wohltaten“ festgestellt werden, desto größer ist allerdings die Erklärungslast für die Mildtätigkeit. In diesem Zusammenhang unterschätzen Betroffene nicht selten die Sachkompetenz der Untersuchungsbehörden: Über eine sogenannte Geldverkehrsrechnung läßt sich bei manchen anhand der Einnahmen und Ausgaben über Jahre feststellen, daß viel mehr Geld ausgegeben als offiziell vereinnahmt wurde. Angeblich erfolgreiches Roulettspiel oder die lange unbekannt gebliebene Erbtante helfen oft nicht entscheidend weiter. Insgesamt muss daher geraten werden, daß nicht mehr nach dem Motto „Das haben wir immer schon so gemacht“ verfahren werden sollte. In Zweifelsfragen kann eine Weisung der Unternehmensleitung oder der übergeordneten Behörde eingeholt werden. Die Toleranz des Gesetzgebers und der Gesellschaft gegenüber einer großzügigen Handhabung ist jedenfalls deutlich geringer geworden. Wie verhält sich ein Unternehmen bei Kontakt mit Korruptionsvorwürfen?

Es soll an dieser Stelle nicht einer simplen Vertuschung das Wort geredet werden. Auf der anderen Seite muß sich jede Leitung einer öffentlichen oder privaten Unternehmensform vergegenwärtigen, daß eine polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Untersuchung im Einzelfall als vorteilhaft, geradezu notwendig angesehen werden kann – oder im Gegenteil als ernste Bedrohung des Unternehmens insgesamt.
Richtig ist immer, Unklarheiten oder Mißstände für die Zukunft abzustellen, den Mitarbeitern klare Weisungen zu geben, bei bewußten Verstößen arbeits- und dienstrechtlich deutlich vorzugehen.
Einen allgemeinen Zwang zur Strafanzeige aber gibt es nicht. Ermittlungsverfahren werden Selbstläufer. Korruptionsverdacht ist für die Presse, Konkurrenz und Neider interessant. Negative Berichterstattung zu Lasten des Unternehmens stellt die Regel dar, differenziert wird in Schlagzeilen nicht. Stellt sich später heraus, daß die erhobenen Vorwürfe vollständig oder teilweise haltlos gewesen sind, kümmert sich niemand um Wiedergutmachung des finanziellen Schadens oder der Rufschädigung, am allerwenigsten die Strafverfolgungsbehörden.
Deshalb sollte sich jede Unternehmensleitung sehr genau überlegen, ob ein Strafverfahren durch eigene Anzeige in Gang gesetzt und in welcher Art und Weise an Strafverfolgung mitgearbeitet wird. Das Unternehmensinteresse kann, muß sich aber überhaupt nicht mit dem Interesse des Strafverfolgers decken.
Professionelles Krisenmanagement ist gefragt. Wer einmal in seinem Unternehmen eine Durchsuchung und die Beschlagnahme von Unterlagen erlebt hat, dem muß man das nicht erklären – und zwar vollkommen unabhängig von der Frage, ob sich der Betroffene oder auch nur ein anderer Mitarbeiter des Unternehmens nun tatsächlich zweifelhaft verhalten hat oder nicht.
Von spontanen Äußerungen oder eigenen „hilfsstaatsanwaltlichen“ Tätigkeiten in solchen Situationen ist dringend abzuraten. Nicht selten bricht der Betriebsfrieden unwiederbringlich, etwa bei der lockeren Äußerung von Verdachtmomenten zu Lasten eines Kollegen (von den Beamten immer per Vermerk festgehalten!) wird, und die sich im nachhinein als unbegründet herausstellt.
Wirtschaftsunternehmen unterschätzen in der Regel die Eigendynamik, die ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren erhalten kann. Nicht selten kann auch die Unternehmensleitung aus dem Gesichtspunkt des sogenannten strafrechtlichen Organisationsverschuldens heraus persönlich betroffen sein, obwohl beanstandungswürdige Zustände nicht aktiv unterstützt wurden. Die Risiken sind vor Einsichtnahme in die Akte der Untersuchungsbehörde nicht sicher abschätzbar. Als sehr hilfreich hat sich in einem so skizzierten „Schadensfall“ in der Vergangenheit immer das Bestehen einer speziellen Straf-Rechtsschutzversicherung für das Unternehmen erwiesen, die nicht nur den manchmal arbeits- und damit kostenintensiven Verteidigungsaufwand abdeckt, sondern auch eine Vertretung der Firmeninteressen. Auch Elemente des richtigen Krisenmanagements in der ersten Situation können dort oder vom betreuenden Versicherungsmakler übernommen und so Aufregung und Rufschaden wirksam verhindert oder in Grenzen gehalten werden.