Aus dem Urteil LG Nürnberg-Fürth vom 07.08.2012, Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht 2015, 144:

[460] Die Angekl. war von diesen Vorwürfen aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. (…)

[488] Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Angekl. im Ermittlungsverfahren zunächst eingeräumt hatte, dass sie nicht ausreichend dafür gesorgt habe, dass neu eingereichte Verträge verrechnet würden, insbesondere im Tatkomplex Travellift und Schiffe, und dass sie auch eingeräumt hatte, dass hier erheblicher Druck durch die übrigen Angeklagten auf sie ausgeübt worden sei.

[489] Für die Kammer ist jedoch nicht ausschließbar, dass die ursprünglichen Angaben der Angekl., die einem Geständnis gleichkommen, insoweit nicht der Wahrheit entsprechen. Zum einen ist festzustellen, dass die Selbstbelastungstendenz im Laufe der Vernehmungen erkennbar zugenommen hat und auch nicht ausschließbar ist, dass tatsächlich die Angekl. die Angaben in der Advents- und Weihnachtszeit lediglich in der Hoffnung machte, um aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden. Zum anderen ist auch in den einzelnen Vernehmungen selbst eine steigende Belastungstendenz erkennbar. Insbesondere was den Vertrag Travellift anbelangt, gab die Angekl. zunächst an, keine Kenntnis zu haben, um dann detailliert Vorgänge aus diesem Vertrag zu schildern. Auffallend ist auch, dass in der letzten Vernehmung der Angekl. sie Dinge einräumt, die ihr seitens der Ermittlungsbehörden nicht vorgeworfen wurden, die auch im Nachhinein nicht bestätigt werden konnten.

Was ist denn da wohl passiert? Eine Angeklagte gibt im Ermittlungsverfahren in Untersuchungshaft zu eigenen Lasten ein falsches Geständnis ab – und das Geständnis ist so falsch, dass die Kammer das erkennt und die eigenen Angaben der Angeklagten ausdrücklich nicht ihrem Urteil zugrundelegt.

1. Möglichkeit:

Die Angeklagte war vollkommen von Sinnen, erpicht quasi auf einen strafjustiziellen Suizid in Form eines falschen Geständnisses, begleitet von einem gewissenlosen Rechtsanwalt als Strafverteidiger, der in völliger Vernachlässigung seiner Beistandspflichten fröhlich und gleichgültig der Abgabe eines falschen Geständnisses im Ermittlungsverfahren beigewohnt und dabei berufsrechtswidrig zum Schaden seiner Mandantin geschwiegen hat.

2. Möglichkeit:

Es hat eine mit Unschuldsvermutung ausgestattete Bürgerin unter dem schweren, zuweilen fürchterlichen Druck von Untersuchungshaft den Eindruck erhalten – wer kann diesen Eindruck wohl erweckt haben? – als hätte sie trotz verfassungsrechtlich garantiertem Schweigerecht ohne selbstbelastende Angaben keine Chance, in absehbarer Zeit aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden (Untersuchungshaft als rechtswidrige und verfassungswidrige Geständnis-Erzwingungshaft. Manche Strafverteidiger behaupten, hiervon schon gelegentlich, in manchen Regionen der Bundesrepublik nicht nur gelegentlich gehört zu haben). Diese Bürgerin hat dann nicht nur Straftaten eingeräumt, die sie nicht verübt hatte. Sie hat in ihrer Not zusätzlich Taten zugegeben, die ihr noch gar nicht vorgeworfen worden waren. Ihr Strafverteidiger hatte auf ihre Anweisung dazu geschwiegen, weil er selbst auch nur auf diese Weise eine Chance gesehen hat, eine Freilassung zu erreichen.

Bei der 2. Möglichkeit müssten sich die dafür Verantwortlichen nachhaltig und abgrundtief schämen.

Peter Wehn