vom 06.11.2009 im LexisNexis Verlag für Recht und Wirtschaft betreffend das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 17.07.2009 – 5 StR 394/08 über das Strafbarkeitsrisiko des Compliance-Beauftragten in Wirtschaftsunternehmen und Verbänden.

Beitrag Nr. 169524 vom 28.10.2009

Bundesgerichtshof bejaht das eigene Strafbarkeitsrisiko für den Compliance-Officer eines Unternehmens (von RA Dr. Ingo Minoggio)

Der Compliance Officer in Unternehmen ist verpflichtet im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann er nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) selbst strafrechtlich verfolgt werden (BGH, 17.07.2009 – 5 StR 394/08).
Die Entscheidung des BGH ist wesentlich für alle Compliance-Beauftragten in deutschen Unternehmen. Bleibt der Compliance Beauftragte trotz Kenntnis drohender Verfehlungen wie etwa der Zahlung von Schmiergeldern als „Provision“ oder de überhöhten Abrechnung einer Baumaßnahme dem Kunden gegenüber) untätig, trifft Ihn ein eigenes Strafbarkeitsrisiko. Dies ist die notwendige Kehrseite seiner gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden.

Der Fall und das Urteil:

Der Leiter der Rechtsabteilung und gleichzeitige Leiter der Innenrevision eines Abfallwirtschaftsbetriebes hatte die Unternehmensleitung und den Aufsichtsrat uninformiert gelassen, dass die Abfalltarife für die Kunden durch einen bewussten Fehler zu hoch kalkuliert worden waren. Das Landgericht hatte ihn deshalb wegen Beihilfe zum Betrug durch Unterlassen zu einer Geldstrafe verurteilt. Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun bestätigt – und sich erstmals mit der in größeren und zunehmend auch kleineren Unternehmen installierten Figur des Compliance Officers oder Compliance Beauftragten befasst.

Haftung des Compliance Officers

Er hat dabei ohne viel Aufhebens festgestellt, dass dieser Funktionsträger auch strafrechtlich in einer besonderen Risikosituation steht: Erhält er Kenntnis von strafrechtsrelevanten Umständen (etwa Steuerkonstruktionen nur zum Schein, schwarzen Kassen, Bestechungssystemen etc.), ist er entsprechend seiner Aufgabenzuweisung zur Verhinderung dieser Straftaten verpflichtet. Man spricht in diesem Zusammenhang rechtlich von einer Garantenpflicht . Bleibt er untätig, macht er sich selbst wegen vorsätzlicher Begehung der jeweiligen Straftat durch Unterlassen strafbar.

Konsequenzen für die Praxis:

Diese Entscheidung wird in der immer stärker und wichtiger werdenden Compliance Branche für Furore sorgen und nicht ohne Auswirkungen bleiben. Deckt die Compliance Abteilung ein rechtswidriges Verhalten von Unternehmensmitarbeitern, entsteht eigenes Strafbarkeitsrisiko. So mancher wird schon deshalb eine entsprechende Tätigkeit nicht gerne übernehmen wollen.

Keine Pflicht zur Information staatlicher Stellen

Anzumerken ist jedoch, dass als Kehrseite der Unterlassensstrafbarkeit keinesfalls die Verpflichtung oder auch nur Berechtigung für den Compliance Officer entsteht, an der Unternehmensleitung vorbei die Strafverfolgungsbehörden zu informieren. Das wird man gerade nicht annehmen, schließlich gibt es keine allgemeine Anzeigepflicht bei dem Verdacht strafbaren Verhaltens oder bei tatsächlichen Straftaten. Bei entsprechenden Aufgabenbeschreibungen ist empfehlenswert, klar und deutlich eine Berichtspflicht an die Unternehmensspitze zu formulieren und die Pflicht insoweit zu begrenzen. Es ist dann Sache der Unternehmensführung, schnellstmöglich rechtmäßige Zustände für die Zukunft herzustellen. Ihr kommt ebenfalls keine Anzeigepflicht gegenüber den Behörden zu, diese Frage sollte allein im Unternehmensinteresse entschieden werden.