Was machen wir im November

Was macht Minoggio

Minoggio nimmt zunächst mit seinen Kollegen am Herbstkolloquium der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht in München teil (https://www.ag-strafrecht.de/herbstkolloquium/36-herbstkolloquium-2019/ ) in der sich die ausschließlich oder ganz überwiegend im Strafrecht tätigen Anwälte bundesweit zusammengeschlossen haben (bei 165.000 Anwälten insgesamt lediglich 3.200, von denen wiederum nur ein geringerer Teil im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht arbeitet). Dort stehen Themen zur sogenannten Vermögensabschöpfung im Strafverfahren an, die erst vor 2 Jahren umfassend neu geregelt wurde. Darüber hinaus wird das Gesetzgebungsvorhaben „Verbandssanktionengesetz“ (umgangssprachlich: Unternehmensstrafrecht) diskutiert werden.

Der Gesetzgeber hat mit dem 1. Thema der Vermögensabschöpfung in 2017 vieles neu geregelt und mit dem 2. Thema der erweiterten Verantwortlichkeit von Unternehmen auch im Wirtschaftsstrafrecht viel vor. Die gesetzgeberischen Anliegen sind verständlich. Dem überführten Straftäter oder einem von ihm profitierenden Dritten dürfen die finanziellen Vorteile seiner Tat nicht verbleiben. Ein Unternehmen, das Straftaten seiner Mitarbeiter zu einem falsch verstandenen Unternehmenswohl toleriert oder sogar fördert, muss klaren Sanktionen unterworfen sein.

Der Weg zu diesem Ziel aber muss rechtstaatlich begrenzt und unter Berücksichtigung der Unschuldsvermutung ausgestaltet sein. Kein endgültiger Vermögensentzug auf bloßer Verdachtsgrundlage. Ein von der Presse verliehener „Clanstempel“ darf eine ruhige und sachliche Prüfung nicht begrenzen. Kein Generalverdacht gegen Unternehmen, gleich welcher Branche und Größe. Keine  Sicherungsmaßnahmen, die auf bloßer Verdachtsgrundlage bereits den Bürger und das Wirtschaftsunternehmen finanziell und sozial ruinieren können. Für diese rechtstaatlichen Begrenzungen müssen wir Strafverteidiger für die Betroffenen einstehen und uns auch in die gesetzgeberischen Vorhaben einbringen.

Darüber hinaus steht die Fortsetzung einer internen Untersuchung in Süddeutschland an. Hier ist ein großer, forensisch gesicherter Datenbestand auszuwerten, um über die Zweckmäßigkeit von Mitarbeiterbefragungen zu entscheiden. Nicht einfach ist im Einzelfall, rechtssicher über die Befugnis zur Sichtung von Dateien und E-Mail Konten zu entscheiden. Falsch dabei ist das immer wieder gehörte „private E-Mails von Mitarbeitern dürfen nicht untersucht werden“. Im Einzelfall kann das sehr wohl zulässig und wichtig sein. Die Betreffzeile über Emails mit Absprachen über korruptive Zahlungen wird in der Praxis selten gleichzeitig wahrheitsgemäß und aussagekräftig abgefasst. E-Mails mit Absprachen über dicke Briefumschläge werden vom privaten E-Mail Account versendet – aber die Auftragsbestätigung mit dem finanziellen Volumen als Schmiergeldbasis wird eben vorher oftmals vom dienstlichen auf den privaten Account des Mitarbeiters weitergeleitet und kann deshalb ein entscheidendes Indiz liefern.

Auch für die interne Untersuchung soll im Übrigen das oben angesprochene Verbandssanktionengesetz zukünftig nähere Regeln vorsehen. Darauf wartet die Praxis seit Jahren.  Die Klärung von Arbeitgeberbefugnissen und Arbeitnehmerrechten in diesem Bereich konnte bisher nur fragmentarisch von der obergerichtlichen Rechtsprechung bewältigt werden.

Darüber hinaus steht bei Minoggio im November natürlich Tagesarbeit an, etwa die Organisation einer Prozessbeobachtung in Sachsen im Steuerstrafrecht („Goldfingermodell“). Das Verfahren gegen die Hauptverantwortlichen dieser steuerlichen Gestaltung wird einen Strafprozess und ein weiteres Strafverfahren mit unseren Verteidigerbeteiligungen vorprägen. Deshalb ist es wichtig, den Prozessverlauf und die Äußerungen der beteiligt gewesenen Verantwortlichen sowie die Zeugenvernehmungen zu erfahren. Das geht praktisch nur aus dem Zuschauerraum heraus: Es stellt einen regelrechten, von gewichtigen Stimmen im In- und Ausland seit vielen Jahren kritisierten Justizskandal in Deutschland dar, dass in den zentral wichtigen Strafverfahren vor den Landgerichten nicht nur Video- oder Audioaufnahmen untersagt sind, sondern auch keinerlei Angaben von Angeklagten oder Zeugen vor Gericht protokolliert werden. Manche Gerichte versuchen sogar (auf höchst unsicherer Rechtsgrundlage), Prozessbeobachtern im Zuschauerraum das wörtliche Mitschreiben zu untersagen. Man hört und liest jedenfalls nur im mündlichen und später im schriftlichen Urteil (zuweilen unterschiedlich zueinander), wie die urteilenden Richter Angeklagte und Zeugen gehört und verstanden haben. Überprüfbar hierbei ist auch durch Rechtsmittel nichts und im Ausnahmefall denkt man als beteiligt gewesener Verteidiger bei Nachlesen der schriftlichen Urteilsgründe, man hätte sich bei der dort geschilderten und bewerteten Aussage des Zeugen wohl seinerzeit im Gerichtssaal geirrt.

Eine weitere Prozessbeobachtung des presseträchtigen Cum-Ex-Verfahrens in Bonn als ebenfalls prägend für Verteidigerarbeit in einem anderen Verfahren ist fortzusetzen. Dort wird ein (bislang jedenfalls durchgehend) bemerkenswert ruhiger Strafprozess sichtbar nur bestimmt von den Verfahrensvorstellungen des Vorsitzenden. Lediglich ein Laie kann das für ein gutes Zeichen im Sinne möglichst umfassender Sachaufklärung halten- in einem wirtschaftlich für den Staat äußerst bedeutungsvollen Fall, in dem das moralische und leider damit gleichzusetzende Strafbarkeitsurteil der Medienlandschaft und der Öffentlichkeit längst gefällt sind, derselben Öffentlichkeit aber die notwendigen, äußerst schwierigen Abläufe und Verantwortlichkeiten verborgen bleiben. Und verborgen bleiben wird auch, dass nach bei Leibe nicht nur unserer Steuerrechtsauffassung die Finanzbehörden und die Finanzpolitik 12 Jahre lang billigend die Ausnutzung einer (steuermoralisch höchst fragwürdigen) Gesetzeslücke in Kauf genommen haben. Das wird voraussichtlich leider auch im Strafprozess weitgehend unerörtert bleiben, nachdem schon ein Untersuchungsausschuss des Bundestages zu dieser Verschleierung kräftig beigetragen hat mit einem nach unserer Bewertung geradezu abstoßenden Falschergebnis („Politiker und Behörden haben immer alles ausnahmslos richtig gemacht, niemand ist auch nur mitverantwortlich, herzlichen Glückwunsch von unserer Seite dazu und weiter so!“).

Am Ende des Novembers wird Minoggio einige Tage Urlaub in New York verbringen. Sein Schwager (seit Jahrzehnten und Studentenzeiten bereits hochqualifizierter Weekend-Warrior als Künstler) wird dadurch geadelt, dass kein geringeres Museum als das MoMa eine aufwändige Klanginstallation als Ausstellung  präsentiert unter seiner maßgeblichen Mitarbeit (Rainforest, begründet von David Tudor †, https://www.moma.org/calendar/exhibitions/5077 )

Was macht Bischoff

Im November bereitet Bischoff zunächst mit Hochdruck eine steuerliche Selbstanzeige vor. Ein Arbeitgeber aus der Baubranche hat über einige Jahre Mitarbeiter für Überstunden und Wochenendarbeit „schwarz“ bezahlt. Der Druck in der Branche ist manchmal groß: Aufträge müssen schnellstmöglich abgearbeitet werden, bei Nichteinhaltung von Fristen drohen hohe Vertragsstrafen. Das Personal ist knapp, fähige Mitarbeiter werden nur schwer gefunden. Diese Situation rechtfertigt selbstverständlich nicht die Begehung einer Straftat. Die Macht des Faktischen ist aber nicht zu unterschätzen. Das betroffene Unternehmen steht wirtschaftlich sehr gut da und die Geschäftsführung möchte nicht zukünftig (Verjährungsfristen für Nachforderungen steuerlich und sozialversicherungsrechtlich zwischen 10 und 35 Jahren) durch „Altlasten“ angreifbar sein.  Strafrechtliche Ermittlungsverfahren in diesem Bereich werden oftmals durch Anzeigen von ehemaligen Mitarbeitern losgetreten. Kein Unternehmen kann ausschließen, dass es sich von einem Mitarbeiter im Streit trennen muss. Es wird deshalb über Jahre hinweg eine offene Flanke präsentiert. Diese Situation kann schlaflose Nächte bereiten. Die Selbstanzeige bietet in dieser Konstellation für den steuerlichen Part immer noch eine vernünftige Lösung. Entgegen teilweise vertretener Ansicht ist es auch nach der umfassenden Reform der Selbstanzeigevorschrift in § 371 AO noch möglich, eine wirksame Selbstanzeige rechtssicher zu gestalten. Es müssen  möglichst zuverlässige Zahlen erarbeitet und die Abgaben gezahlt werden. Problematisch ist in diesen Schwarzarbeitsfällen hingegen, dass es für die ebenfalls nachzuzahlende Sozialversicherung nur eine sehr eingeschränkte Selbstanzeigemöglichkeit gibt. Diese greift in der Regel nicht. Dennoch verbessert sich auch in diesem Bereich die strafrechtliche Situation deutlich und werden Verhandlungsspielräume eröffnet, wenn der aktive Schritt nach vorne freiwillig gesucht wurde. Liegen die Beträge nicht im Millionenbereich, kann oftmals eine Einstellung gegen Geldauflage erreicht werden. Bei einer förmlichen Sanktion sind natürlich die strafrechtlichen Nebenfolgen https://www.minoggio.de/downloads/informationen/ zu beachten. Diese Risiken müssen mit dem Mandanten gemeinsam besprochen werden, damit er seine Entscheidung in Kenntnis der umfassenden Risiken und Chancen treffen kann.

In einem weiteren Verfahren steht ein Hauptverhandlungstermin im Ruhrgebiet an. Es war zu einem tödlichen Arbeitsunfall auf einer Baustelle gekommen. Der Fall wurde von Bischoff erst kurz vor der Verhandlung übernommen. Im Ermittlungsverfahren war bislang zu den äußerst unklaren Verantwortlichkeiten keinerlei Stellung abgegeben worden. Die Position des Mandanten ist in der Akte über Monate nicht zum Ausdruck gekommen. Das hat es der Staatsanwaltschaft leicht gemacht, ihn als angeblich Alleinverantwortlichen auszumachen und Anklage nur gegen ihn zu erheben, obwohl seine Verantwortlichkeit als Geschäftsführer des Unternehmens tatsächlich eher fernliegend ist. Er war am Unfalltag nicht anwesend. Jetzt geht es darum, das damals bereits existente Sicherheitskonzept, die einzelnen Verantwortlichkeiten und die technischen Hintergründe des Unfalls aufzuarbeiten. Sie müssen danach so aufbereitet werden, dass sie für technische Laien gut verständlich sind. Es besteht sodann eine deutlich bessere Chance, die Verhandlung erfolgreich abzuschließen. Denn der Unfall war letztlich das Ergebnis einer Verkettung unglücklicher Umstände, eine Geschäftsführerverantwortlichkeit liegt fern.

Zudem stehen im November für Bischoff mehrere Gespräche mit der Steuerfahndung und der Groß- und Konzernbetriebsprüfung auf dem Programm. In einem Fall geht es um eine missglückte Vertragsgestaltung, so dass es steuerlich zur Aufdeckung stiller Reserven gekommen ist. Es spricht vieles dafür, dass hier die damals beteiligten Berater schlicht fehlerhaft gestaltet haben. Es gibt allerdings aufgrund von offenen Bewertungsfragen noch eine Chance, den Schaden steuerlich bereits extrem zu begrenzen und auf diesem Weg das wirtschaftliche Risiko auch eines möglichen Regressfalles im Anschluss für den Mandanten auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Solche Gespräche sind in steuerrechtlicher Hinsicht akribisch vorzubereiten. Auf dieser Grundlage geht es sodann aber vor allem darum, strategische Wege zu suchen, wie das gewünschte Ziel möglichst im Konsens mit der Behörde erreicht werden kann. Hier ist die Kreativität des Verteidigers und des steuerlichen Beraters gefragt.

Auch im November steht für Bischoff Fortbildung an. Zunächst läuft weiterhin ihre Vorlesung Steuerstrafrecht als Dozentin an der FOM. Für die Studenten wird es um die rechtlichen Voraussetzungen und die Gestaltungsmöglichkeiten bei einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO gehen. Anschauliche Fälle mit den typischen Fallstricken sind vorbereitet. Des Weiteren tagt der Arbeitskreis für Kontaktgespräche mit Finanzämtern des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe, Bischoff ist dort Mitglied. Nicht zuletzt freut Bischoff sich, nach München zum Herbstkolloquium der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltsvereines (DAV) zu fahren. https://www.ag-strafrecht.de/media/1396/herbstkolloquium-2019.pdf Schwerpunktmäßig wird es um das Thema Vermögensabschöpfung gehen – ein für die Praxis zunehmend wichtiges Feld.

Was macht Wehn

Anfang November beginnt eine Hauptverhandlung vor einem niedersächsischen Landgericht wegen Umsatzsteuerhinterziehung durch Ausstellen unberechtigter Rechnungen (sog. Abdeckrechnungen). Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, sich dadurch Vorsteuererstattungsansprüche in siebenstelliger Höhe erschwindelt zu haben. Das Verfahren ist aufgrund eines Auslandsbezuges und aufgrund seines Alters  – die Anklage ist drei Jahre alt, das Verfahren selbst neun Jahre- besonders schwierig, der Sachverhalt nicht einfach aufzuklären.

Weiter steht Anfang November ein Verfahren an vor einem rheinischen Gericht, in dem eine mehrtägige Hauptverhandlung stattfinden soll. Angeklagt ist der Betreiber einer Gaststätte, dem Kassenmanipulationen und demzufolge Steuerhinterziehung vorgeworfen wird. Ferner soll er in größerem Umfang sein Personal nicht zur Sozialversicherung angemeldet haben. Das Verfahren ist unter anderem auch deswegen aufwendig, weil von den über 20 benannten Zeugen nur wenige der deutschen Sprache mächtig sind und deswegen in dem Gerichtstermin viele Dolmetscher für verschiedene Sprachen anwesend sein müssen.

In einem weiteren Verfahren geht es bei einem nordrheinwestfälischen Landgericht um ein Verfahren um nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge. Dem Mandanten, der im Reinigungsgewerbe tätig ist, wird vorgeworfen, seine Mitarbeiter nicht vollständig zur Sozialversicherung angemeldet zu haben. Die Vorwürfe wiegen strafrechtlich nicht allzu schwer  – allerdings sind die haftungsrechtlichen Folgen ganz erheblich, weil Schwarzlohnzahlungen auf Ebene der Sozialversicherungen zu ganz erheblichen und oftmals existenzbedrohenden Nachzahlungen führen. Das liegt an einer vom Gesetzgeber vor einigen Jahren eingeführten Besonderheit, wonach Schwarzlohnzahlungen als Nettolohnzahlungen behandelt werden und sich die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge aus einer rein fiktiv berechneten Bruttolohnsumme berechnet. Hinzu kommen absurd hohe 12% Zinsen jährlich. So werden die nachgeforderten Abgaben selbst bei kleineren Schwarzlohnzahlungen für den Steuerpflichtigen oftmals unbezahlbar und die Insolvenz nach sich. Das zu verhindern ist oftmals das größere Ziel in derartigen Verfahren.

Schließlich steht Ende November noch eine zweitätige Fortbildung an im Bereich des Steuerrechts und des Strafrechts. Von Freitagmorgen bis Samstagabend wird an insgesamt 15 Stunden durch verschiedene erfahrene Dozenten ein steuerliches Update quer durch alle Rechtsgebiete gegeben und können die allesamt spezialisierten Teilnehmer aktuelle Praxisprobleme erörtern.

Was macht Possemeyer

Possemeyer verteidigt im November in einem Umfangverfahren wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in Millionenhöhe vor einer Wirtschaftskammer eines Landgerichts im Ruhrgebiet. Das Verfahren ist bereits über 10 Jahre alt. Die Akten umfassen inzwischen 15 Hauptaktenbände, 17 Beweismittelordner, 3 Sonderbände, 8 Sonderhefte, 3 Täterakten, 12 Rechtshilfebände und einen Anklageband, insgesamt über 5.000 Seiten. Das Verfahren ist deshalb vom Landgericht mit fast 20 Hauptverhandlungstagen angesetzt worden. Erschwerend kommt hinzu, dass der Mandant erkrankt und nur zeitweise verhandlungsfähig ist. Bereits in einem für solche Umfangsverfahren üblichen Erörterungsgespräch vor einigen Wochen wurde unter Beteiligung des Gerichts, der Staatsanwaltschaft und Verteidigung versucht, eine einvernehmliche Lösung zur Beendigung des Verfahrens zu finden. Ob dies letztendlich gelingen wird, bleibt abzuwarten.

In einem weiteren Fall verteidigt Possemeyer bei einem Gericht in Norddeutschland einen bereits betagten Mandanten, der aufgrund eines tragischen, aber selbst verursachten Verkehrsunfalls einen nahen Angehörigen verloren hat. Der Mandant ist jetzt u.a. wegen fahrlässiger Tötung angeklagt und soll neben seiner persönlichen Last – nämlich den Verlust eines von ihm geliebten Menschen – auch strafrechtlich belangt werden, wenn es nach der Staatsanwaltschaft gehen soll. Das erscheint verzichtbar (für Juristen: § 60 StGB, die Vorschrift wird in der Praxis oft zu Unrecht stiefmütterlich behandelt). Der nicht vorbelastete Mandant hat in einer für ihn emotional sehr schwierigen Situation im Straßenverkehr nicht aufgepasst. Nicht nur für uns stellt sich in solchen Fällen die Frage, welchen Sinn eine weitere Bestrafung noch haben kann.

In einem aktuellen Verfahren stellt sich nach einer Verkehrsstraftat in einer anstehenden Hauptverhandlung die Frage der Fahreridentifikation. Das Amtsgericht hat in diesem Fall die Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens angeordnet.

Soll die Identifizierung des verantwortlichen Fahrzeugführers durch ein solches Gutachten erfolgen, müssen die späteren Urteilsgründe zunächst Angaben dazu enthalten, dass das bei der Akte befindliche Messbild – ggfs. nach Bearbeitung – überhaupt für eine Identifizierung geeignet ist. Notwendig dafür ist, dass aus dem Foto hinreichend viele individuelle körperliche Merkmale extrahierbar sind. Diese Merkmale sind dann in einem zweiten Schritt zu erfassen und mit der Vergleichsperson in Abgleich zu bringen. Bedient sich der Tatrichter eines Sachverständigen, sind dessen Ausführungen unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wenigstens insoweit wiedergeben, als dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist. Alles in allem ein langer Weg zur Identitätsfindung, der nicht immer gelingen kann.

Im November besucht Possemeyer wie fast jedes Jahr mit seinen Kollegen das Herbstkolloquium der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltsvereines (DAV) in München,  https://www.ag-strafrecht.de/media/1396/herbstkolloquium-2019.pdf. Fast ausschließlich wird das Thema Vermögensabschöpfung behandelt. Die Rechtsprechung ist in diesem Bereich nach der umfassenden Gesetzesänderung von 2017 noch sehr lückenhaft und befindet sich noch in der Entwicklung, so dass spannende Vorträge und Diskussionen zu erwarten sind. Abends wird sicherlich auch Zeit sein, sich in  geselliger Runde auszutauschen.

Was macht Westermann

Westermann bereitet eine Berufungshauptverhandlung in einem Betrugsfall vor einem Landgericht in Ostwestfalen vor. Für den Mandanten geht es um die Frage, ob die erstinstanzlich ausgesprochene Haftstrafe ohne Bewährung in eine Bewährungsstrafe umgewandelt werden kann. Das Schöffengericht hatte seinerzeit aufgrund des Schadens im hohen 6-stelligen Bereich und aufgrund einer Fehleinschätzung der Sozialprognose keine Bewährung mehr ausgesprochen. Dieser Fehler muss nun im Rahmen der Berufungshauptverhandlung korrigiert werden. Ein Ansatzpunkt ist dabei die überlange und von dem Angeklagten nicht verschuldete Verfahrensdauer. Das erstinstanzliche Urteil war von mehr als 3 Jahren ergangen, die Anklage stammt aus dem Jahr 2013. Die fraglichen Taten sollen 2011 begangen worden sein. Im vorliegenden Fall würde dieser Zeitablauf alleine allerdings noch nicht eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung herbeiführen können. Vielmehr muss dargelegt werden, dass die vergangenen 3 Jahre ohne weitere Verurteilungen und in einem stabilen sozialen Umfeld die Bewertung des erstinstanzlichen Gerichts als überholt belegen und zumindest jetzt die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Eine Kontaktaufnahme mit dem Vorsitzenden Richter ist in solchen Fällen oft zielführend. Wenn das Ziel der Berufung offen kommuniziert wird ergeben sich häufig Ansätze für Gespräche über eine mögliche Abkürzung des Verfahrens mitsamt gutem Ausgang für den Mandanten.

In einer gerade begonnenen Hauptverhandlung wegen Steuerhinterziehung vor einem Schöffengericht bereitet Westermann einen Aussetzungsantrag vor. Im Rahmen der Vorbereitung der Hauptverhandlung war Akteneinsicht beantragt und auch gewährt worden. Nun hat nach Beginn der Hauptverhandlung die Staatsanwaltschaft jedoch weitere Ordner vorgelegt, die Unterlagen und angebliche Beweismittel gegen den Mandanten enthalten sollen. Das Gericht hatte angedeutet, dass es einen Einsicht im Rahmen der laufenden Hauptverhandlung für ausreichend halten würde. Dies trifft jedoch nicht zu, so dass nunmehr ein entsprechender Aussetzungsantrag nach § 265 Abs. 4 StPO zu stellen ist. Diese Regelung ermöglicht die Aussetzung der Hauptverhandlung bei Veränderungen der Sachlage. Letztlich hat das Gericht das Verfahren so zu gestalten, dass der Verteidiger und der Angeklagte Aktenbestandteile in Ruhe ansehen und besprechen können. Neue Beweisstücke können schließlich eine Verteidigungslinie komplett ändern. Aufgrund des Umfangs der neuen Beweismittel würde eine bloße Unterbrechung (also höchstens für die Dauer von 3 Wochen) für die Sichtung und Besprechung mit dem inhaftierten Mandanten nicht ausreichen.

Im Übrigen bereitet Westermann Stellungnahmen in verschiedenen Ermittlungsverfahren vor. Das soziale Element steht im Vordergrund etwa in einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Die Mandantin war lange als Außendienstmitarbeiterin für eine Bausparkasse tätig und erhält nun (kleine) monatliche Zahlungen zur Altersvorsorge. Da es sich aber nicht um eine Rente, sondern um sogenannte nachträgliche Einkünfte (§ 24 EStG) handelt, sind diese steuerpflichtig. Eine Kontrolle bei der Bausparkasse hatte die Zahlungen aufgedeckt und ein Ermittlungsverfahren war eingeleitet worden. Aufgrund der geringen Höhe hatte sich die Mandantin nie größere Gedanken gemacht. Jeder andere Ausgang als eine Einstellung des Verfahrens wäre in diesem Fall falsch. Welche Arten von Altersvorsorge und Rente in welcher Höhe steuerpflichtig sind ist für einen Laien mittlerweile kaum noch sicher zu durchschauen. Trotz des überschaubaren strafrechtlichen Risikos stellt das Verfahren für die strafrechtlich und steuerlich völlig unbelastete Mandantin dennoch eine starke Belastung dar. Das dürfen wir Verteidiger bei unserer Arbeit nie aus den Augen verlieren: die sogenannte subjektive Seite eines Strafverfahrens. Sie kann sich bei den Betroffenen als massiv bedrohlich und lebenseinschränkend darstellen, manchmal über Jahre. Auch und gerade hier müssen wir helfen.

Zum Monatsende steht bei Westermann Weiterbildung auf dem Programm durch Teilnahme an einem zweitägigen Seminar über die aktuellen Entwicklungen und neueste Rechtsprechung im Steuerrecht und Steuerstrafrecht.