Bei Minoggio im März auf dem Programm: Complianceaufgaben, Individualverteidigungen und Tagesarbeit in Wirtschaftsstrafverfahren

Minoggio hat zunächst in Zusammenarbeit mit einem jüngeren Sozietätsmitglied für ein großes Unternehmen eine Präventivberatung verschiedener Managementebenen durchzuführen. Klingt merkwürdig – welches gestandene Unternehmen will sich schon beraten lassen, was im Falle eines Strafverfahrens gegen einen Unternehmensverantwortlichen zu tun ist. Viele denken: Bei uns nicht. Wir wollen nicht zum möglichst cleveren Verbrecher ausgebildet werden. Wir brauchen das nicht. Unverschämtheit. So wird teilweise gedacht, aber falsch gedacht: Die allermeisten Ermittlungsverfahren wegen Steuer- oder Wirtschaftsstrafverfahren erweisen sich im Ergebnis als unberechtigt. Sie stiften aber Schaden – bei den verunsicherten Mitarbeitern, in der Fachöffentlichkeit oder Öffentlichkeit, beim Aktienkurs. Die Verfahrenseinstellung nach 6 oder 36 Monaten beseitigt davon vielleicht 15 %. Darüber hinaus sind Wirtschaftsunternehmen oft Opfer von Vermögensstraftaten, begangen intern oder extern, oft in Kombination. Sie müssen sich effektiv dagegen wehren. Deshalb muss ein Grundsachverstand im Wirtschaftsunternehmen und müssen Alarmpläne vorhanden sein, wie mit derartigen Fällen umzugehen ist. Hierzu dienen sinnvolle Präventivberatungen, in Zusammenarbeit mit Rechtsabteilungen und Bereichsvorstand, zugeschnitten auf die besondere Risikosituation.

Niemand will mit Feuergefahr in Betriebsräumen und auf dem Betriebsgelände leichtfertig umgehen, aber jeder hat Feuerlöscher und Evakuierungspläne.

Im Strafverfahren betreffend Untreuevorwürfe gegen den Geschäftsführer eines öffentlichen Energieversorgers im nördlichen Ruhrgebiet ist eine umfassende Stellungnahme einzureichen. Vorgeworfen wird ihm so genanntes Organisationsverschulden: Angeblich soll der Geschäftsführer von jahrelangen Unterschlagungen im Unternehmen gewusst und nichts dagegen unternommen haben. Hier gilt es, die verschiedenen Hierarchieebenen und Zuständigkeiten genau aufzuspalten und einer betreffend das Innenleben eines großen kaufmännischen Unternehmens nicht bewanderten Staatsanwaltschaft aufzuzeigen, dass der Geschäftsführer eines Unternehmens mit Bilanzsumme in Vielmillionenhöhe nicht Bargeldkassen prüfen kann. Die Geschäftsführung kann vielmehr erst dann eingreifen, wenn ihr Missstände  gemeldet werden. Klingt banal, ist es aber in diesem Einzelfall deshalb nicht, weil eine kommunalpolitisch motivierte Personengruppe die lokale Öffentlichkeit immer wieder gegen die Geschäftsführung und die Aufsichtsorgane des Energieversorgers aufbringt – und weil es eben vollkommen kosten- und risikolos ist, andere mit strafrechtsrelevanten Vorwürfen zu überziehen und Presse und moderne Medien ihr Übriges tun zu lassen. Es müsste eine Missbrauchsgebühr geben für unberechtigte Strafanzeigen, und es müsste einen tatsächlich funktionierenden Ehrschutz von Geschädigten durch unberechtigte Strafanzeigen gegen die Schädiger geben. Beides fehlt vollkommen bei uns.

Ferner ist die Verteidigung eines Steuerberaters gegen den Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Bilanzfälschung in einem international angesiedelten Fall zu organisieren. Dass die ehemalige Unternehmensleitung massiv Straftaten begangen hat, dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit feststehen. Die Frage ist, ob der beruflich tätige, bislang unbescholten und äußerst anerkannt arbeitende Steuerberater diese Unredlichkeit erkannt und bei der Umsetzung geholfen hat. Über alle Jahre abgerechnet hat er nur die gesetzlichen Gebühren, von Sondervorteilen ist nichts bekannt. Dann fragt sich schon auf dieser Ebene, worin das Interesse des Beraters gelegen haben soll, an fremder Unredlichkeit teilzunehmen mit dem Risiko, in steuerliche und strafrechtliche Haftung zu geraten und die Berufszulassung zu verlieren. Das gilt es darzustellen und herauszuarbeiten.

Ein Wirtschaftsunternehmen verlangt die Erarbeitung von Richtlinien für die Annahme von Geschenken durch Aufträge vergebende Mitarbeiter und andererseits die Gewährung von Zuwendungen an Mitarbeiter von Kunden. Umgangssprachlich: Ein Höllenjob. Am besten: Nichts annehmen, nichts gewähren. Alles über läppischen Bagatellgrenzen nur leicht oberhalb eines Werbekugelschreibers kann strafrechtlichen Ärger bringen, feste Grenzen gibt es nicht,  allerdings äußerst unterschiedliche Gerichtsentscheidungen. Wichtig im Mittelstand: Unabhängig davon funktionierende Compliance Regelungen für Auftragsvergabe und Auftragsannahme, alles bekannt, oftmals aber nicht gelebt: Vieraugenprinzip, Rotation, feste Förmlichkeiten bei Ausschreibungen, unbequeme Revisionen – und das alles noch unternehmens- und sozialverträglich. Keine leichte Aufgabe für Unternehmensführungen, aber in sehr vielen Branchen absolut notwendig.

Und schlicht Schließung von Unternehmensausrichtungen, die nur mit Korruption funktionieren können. Die gibt es nämlich auch.

Bischoff bereitet Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung vor, in einem Untreuefall wird dem Mandanten eine lange Hauptverhandlung erspart, Luzerner Studenten werden in Berlin in das deutsche Wirtschaftsstrafrecht eingeführt, kurze Wanderauszeit verspricht Entspannung.  

Die Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung ist entgegen mancher früheren Prophezeiungen nicht „tot“ (https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/selbstanzeigen-und-steuerrecht-boom-aus-angst-vor-neuen-regeln-a-1010921.html). Auch nach der Gesetzesreform hat sie in der Beratungspraxis weiterhin ihre Daseinsberechtigung und Bedeutung als „goldene Brücke zur Steuerehrlichkeit“. Trotz verschärfter Anforderungen ist es immer noch möglich, eine wirksame und damit strafbefreiende Selbstanzeige zu erstatten. Berücksichtigt werden muss dabei natürlich, dass mittlerweile sämtliche verkürzten Steuern einer Steuerart über einen Zeitraum von zehn Kalenderjahren zu korrigieren sind. Zudem müssen ab 25.000 € verkürzter Steuer in einem Veranlagungszeitraum zusätzlich zu den Steuern und Zinsen noch gestaffelte Strafzuschläge gezahlt werden. Bischoff muss Anfang März kurzfristig einige Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung vorbereiten, in denen bei Strafverfolgung einschneidende Strafen drohen. Zu Beginn der Woche müssen mit Hochdruck gemeinsam mit einem Steuerberater die Besteuerungsgrundlagen für eine Selbstanzeige eines Gesellschafter-Geschäftsführers eines mittelständischen Unternehmens zusammengestellt werden. Über mehrere Jahre hatte der Unternehmer eine zweistellige Anzahl von Rechnungen eines befreundeten Unternehmers in der Buchführung der GmbH berücksichtigt, obwohl den Rechnungen tatsächlich keine Leistungen zugrunde lagen und deshalb kein Betriebsausgabenabzug und kein Vorsteuerabzug möglich gewesen wäre (klassische Scheinrechnungen). Das Unternehmen ist mittlerweile wirtschaftlich erfolgreich, der Geschäftsführer möchte sich und das Unternehmen durch die Selbstanzeige auf eine steuerlich korrekte Basis stellen. Das Risiko, bei einer Betriebsprüfung mit den Scheinrechnungen aufzufallen, erscheint ihm zukünftig nicht mehr tragbar. Deshalb wird jetzt kurzfristig alles freiwillig aufgedeckt. Sichergestellt ist, dass die Steuern, Zinsen und Zuschläge kurzfristig gezahlt werden können.

In einem Wirtschaftsstrafverfahren im Sauerland steht ein Gerichtstermin an. Dem Mandanten wird eine Untreue im sechsstelligen Bereich vorgeworfen. Der vermeintliche Schaden konnte zwischenzeitlich wiedergutgemacht werden. Zudem wurde eine umfassende Vereinbarung darüber getroffen, dass die möglicherweise geschädigte Gesellschaft kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung des Mandanten hat. Hinzu kommt, dass die rechtliche Einordnung der Handlungen schwierig ist. Es konnte deshalb bereits im Vorfeld des Termins mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft erörtert werden, dass das Verfahren gegen eine Geldauflage eingestellt wird. Das Gericht war lediglich nicht bereit, komplett auf einen Verhandlungstermin zu verzichten. Umso mehr aber im Vorfeld abgestimmt und vorbereitet werden kann, desto weniger bedrohlich werden solche Termine im Regelfall vom Mandanten wahrgenommen.

Im Übrigen ist der März bei Bischoff erneut durch einige Tätigkeiten außerhalb von Mandaten geprägt. Gleich zu Beginn des Monates schult sie in Berlin an der Steinbeishochschule Schweizer Studenten im deutschen Wirtschaftsstrafrecht. Als Mitglied des Arbeitskreises Kontaktgespräche Finanzämter für den Steuerberaterverband Westfalen-Lippe nimmt Bischoff an der seit Monaten im Arbeitskreis inhaltlich vorbereiteten Jahresveranstaltung mit der Steuerberaterkammer, der Oberfinanzdirektion und dem Finanzgericht Münster teil. Vorgetragen wird zur „DSGVO – Endlich Transparenz im Besteuerungsverfahren.“

Der neue Beitrag für die Verbandszeitschrift Profile muss ebenfalls zu aktuellen Entscheidungen des Steuerstrafrechts verfasst werden. Nicht zuletzt eine Woche Wanderurlaub auf Teneriffa verspricht einen freien Kopf und neue Impulse für die spannenden Herausforderungen der nächsten Monate.

Wehn ist tätig in Verhandlungen und Hauptverhandlungen in Fällen von (teils grenzüberschreitender) Steuerhinterziehung

Nach Verlegung des Büros Hamm in modernere Büroräume (Am Pulverschoppen 17 in Hamm-Werries) haben sich Anwälte und Mitarbeiter schnell eingelebt. Der Umzug verlief erfreulich problemlos, so dass Wehn sich schnell wieder dem Tagesgeschäft widmen konnte.

Mitte März vertritt er einen Mandanten in einem Verfahren vor dem Landgericht Wien, der Vorwurf lautet auf Steuerhinterziehung in mittlerer sechsstelliger Höhe. Die Anklage steht unserer Auffassung nach auf tönernen Füßen. Wehn bereitet die Hauptverhandlung und eine Einlassung des Mandanten natürlich eingehend vor. Zu den Besonderheiten in diesem Fall zählt, dass Wehn zusammen mit einem so genannten Einvernehmensanwalt vor dem Landgericht in Wien auftreten kann. Nach § 5 Abs 1 des europäischen Rechtsanwaltsgesetzes dürfen in Verfahren in Österreich, in denen ein Verteidiger beigezogen werden muss, europäische Rechtsanwälte als Verteidiger nur im Einvernehmen mit einem in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalt handeln – dem so genannten Einvernehmensanwalt. In derartigen Konstellationen der so genannten Auslandsverteidigung kann nur ein enges Miteinander der Anwälte ein optimales Verteidigungsergebnis erbringen. Der eine kennt eben den Mandanten, hat dessen Vertrauen oft über lange Zeit erworben, lebt in demselben Kulturkreis. Der andere ist vertraut mit den materiellen Gesetzen und den Verfahrensregelungen vor Ort, daneben mit den praktischen Abläufen und Besonderheiten der örtlichen Justiz. Nur enge Kooperation kann Verteidigungspositionen optimal entwickeln und für den gemeinsamen Mandanten den notwendigen Schutz im Verfahren gewährleisten.

Ein weiteres Strafverfahren tritt nach Übersendung der Anklageschrift in eine neue Phase ein. Angeklagt sind drei Personen wegen einer Steuerhinterziehung in großem Ausmaß, so dass bei Verurteilungen in jedem Fall Haftstrafen drohen. Es werden kurzfristig Termine beim Landgericht Dortmund angesetzt werden. Viel Zeit kann sich die Justiz mit dem Verfahren nicht lassen, da sich zwei der Angeklagten in Untersuchungshaft befinden. Unserem Mandanten als Mitarbeiter einer Elektronikfirma wird vorgeworfen, seinen Vorgesetzten Beihilfe geleistet zu haben im Rahmen eines so genannten Umsatzsteuerkarussells. Grundlage dieses Konstrukts ist bekanntlich, dass die innergemeinschaftliche Lieferung von einem Unternehmer an einen Unternehmer mit Sitz in einem anderen EU-Land umsatzsteuerbefreit ist. Ein Handelspartner in der Kette (der so genannte missing trader) fakturiert dabei mit vollem Mehrwertsteuerausweis und erlaubt so dem Abnehmer den vollen Vorsteuerabzug, gibt aber selber keine Umsatzsteuervoranmeldungen in seinem Land ab und verschwindet je nach Kontrolldichte dort nach einigen Wochen oder Monaten, ohne teilweise ganz erhebliche Umsatzsteuern bis hin zur Mehrmillionenhöhe abgeführt zu haben. Dadurch wird die Handelsspanne um den Mehrwertsteuersatz des betreffenden Landes (bei uns bekanntlich 19 %, andernorts teilweise noch deutlich höher) rechtswidrig „bereinigt“ und gerade Massenwaren oder Dienstleistungen können so unter Marktpreis mit zusätzlichem „Umsatzsteuerprofit“ schnell verkauft werden. Das Problem am Umsatzsteuerbetrug ist nicht der missing trader als Umsatzsteuerbetrüger, der weiß, dass er sich strafbar macht. Problematisch sind die nicht selten gutgläubigen Zwischenhändler, die ebenfalls in Verdacht geraten. Der Staat wird ärgerlich, wenn der eine die Vorsteuer i.H.v. 19 % aus seinen Rechnungen ziehen darf, obwohl der Lieferant oder jedenfalls ein Vorlieferant in der Kette diese Umsatzsteuer nicht abgeführt hat. Konkret gilt im vorliegenden Fall gegenüber dem Gericht darzustellen, dass unser Mandant keine Kenntnis von der Natur der Geschäftsbeziehungen hatte und aufgrund seiner eher untergeordneten Position in der Firmenhierarchie auch nicht haben musste.

Die Vermeidung einer Hauptverhandlung ist das Ziel für Wehn in einem weiteren Steuerstrafverfahren. Dort steht im März eine Schlussbesprechung zwischen ihm und den Verantwortlichen der Steuerfahndung an. Ermittelt wird gegen die Mandantin als Inhaberin eines Dentallabors. Ziel ist eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer angemessenen Geldauflage. Dabei ist der Mandantin bereits durch das Verfahren ein über das normale Maß hinausgehender Schaden entstanden. Dem kleinen und untereinander gut vernetzten Kreis von Zahnärzten und Zahntechnikern waren die Ermittlungen bekannt geworden, einige waren von der Steuerfahndung auch mit der Forderung nach  Informationen angeschrieben worden. Nicht wenige haben die Zusammenarbeit mit der Mandantin beendet.

Bei Possemeyer stehen Hauptverhandlungen und Fortbildung auf dem Programm

Im März beschäftigt sich Rechtsanwalt Possemeyer u.a. mit einem Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Problematisch an diesem Fall ist, dass die Staatsanwaltschaft bereits im Ermittlungsverfahren das äußerst wertvolle Fahrzeug des Mandanten beschlagnahmt hat, da nach deren Auffassung die Voraussetzungen für eine Einziehung vorliegen. Die Wertabschöpfung im Strafverfahren ist vom Gesetzgeber und der Verfolgungspraxis in den letzten Jahren massiv in den Fokus gerückt worden. Das provoziert erfahrungsgemäß Überreaktionen. Durchzusetzen wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sein: Wenn (abstrakt dargestellt, konkrete Einzelfälle können an dieser Stelle nicht individualisierbar genannt werden) jemand mit einem Ferrari nach Enschede fährt, dort 20 g Haschisch zum Eigenverbrauch erwirbt und verbotenerweise nach Deutschland einführt, kann nicht verhältnismäßig sein, neben seiner persönlichen Bestrafung auch eine ersatzlose Einziehung seines Fahrzeugs im Wert von 250.000 € anzuordnen.

Ferner  wird Possemeyer vor einem Landgericht in NRW in einem Berufungsverfahren wegen zweier Wohnungseinbruchsdiebstähle verteidigen. In erster Instanz hat der Angeklagte eine Freiheitstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten ohne Bewährung erhalten. Das Amtsgericht war u.a. aufgrund der eingeholten Verkehrsfunkdaten davon überzeugt, dass der Angeklagte an den Taten beteiligt war. Sein Handy war nämlich zu diesem Zeitpunkt in der entsprechenden Funkzelle eingeloggt. Es ist für die Strafverfolgungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen und für einen bestimmten zurückliegenden Zeitraum möglich, sämtliche Handys und deren Daten, die in einer Funkzelle eingeloggt waren, herauszufinden und zuzuordnen. Ziel der Berufung ist es nunmehr, eine bewährungsfähige Strafe zu erreichen. Aufgrund des Zeitablaufs und der persönlichen Umstände des Mandanten dürfte dies ein realistisches Ziel sein.

In einem weiteren Verfahren wird Possemeyer eine Mandantin verteidigen, der vorgeworfen wird, Gelder ihres Unternehmens in erheblicher Höhe unterschlagen zu haben. Der Sachverhalt ist von der Staatsanwaltschaft noch nicht ausreichend aufgeklärt worden. Es kommen vielmehr weitere Personen als Täter in Betracht. Durch die Stellung von Beweisanträgen kann in einer Hauptverhandlung das Gericht dazu bewegt werden, die mangelhafte Sachaufklärung nachzuholen. Das Strafverfahren zeigt in diesem Punkt seit Jahren massive Schwächen: Herren des Ermittlungsverfahrens sind Polizei und Staatsanwaltschaft. Verteidiger können Sachaufklärung fast nie erzwingen, sondern nur unverbindlich anregen. Wenn dann eine Anklage auf unzureichender Sachverhaltsermittlung erhoben wird, kann dagegen derselbe Verteidiger in einer Hauptverhandlung durch die Stellung von Beweisanträgen eine Nachholung dieser Sachaufklärung in vielen Fällen erzwingen. Das führt zu Verzögerungen, zuweilen zu Verärgerung. Aus geplanten drei Hauptverhandlungstagen können fünfzehn werden. Das ist natürlich im Interesse des Angeklagten hinzunehmen – besser wäre aber, die Teilhaberechte der Verteidigung im Vorverfahren auszuweiten, damit dort auch nach deren Vorstellungen zu ermitteln ist und die Hauptverhandlung hiervon freigehalten werden kann. Dann müsste man sich auch nicht unberechtigt in der Presse und interessierten Kreisen über „die Hauptverhandlung verzögernde“ Verteidiger  beklagen, die nichts weiter als ihre Arbeit machen und verhindern müssen, dass ein unrichtig festgestellter Sachverhalt zulasten der Angeklagten zu einem unrichtigen Urteil führt.

Im März findet an einem Wochenende der 44. Strafverteidigertag in Berlin statt mit dem Titel „Vom Schuldstrafrecht zum funktionalen Strafrecht“ – weitere Informationen unter https://www.strafverteidigervereinigungen.org/Strafverteidigertage/strafverteidigertag2020.html. Derartige Fortbildungsveranstaltungen sind wichtig, um neue Tendenzen in Gesetzgebung und Praxis aufzunehmen – und um im fachlichen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen den eigenen Standort zu bestimmen und die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit. Dazu ein berühmt gewordenes Wort mit Gegenrede: Ein Oberstaatsanwalt beklagte sich, dass ein Verteidiger als Bremse am Wagen der Gerechtigkeit anzusehen sei und erhielt die Antwort, ob er denn tatsächlich vorziehen würde, in einem Wagen ohne Bremsen zu fahren.

Mit dem Thema Selbstständigkeit vs. Gewerbebetrieb, einem drohenden Bewährungswiderruf und einer Hauptverhandlung vor einem Landgericht beschäftigt sich Westermann

Westermann vertritt einen Arzt für Labormedizin in einem Verfahren vor einem nordrhein-westfälischen Finanzgericht. Thema ist, ob der Mandant über viele Jahre als selbstständig nach § 18 EStG zu behandeln ist, mit den entsprechenden steuerlichen Konsequenzen, oder ob er einen Gewerbebetrieb nach § 15 EStG führt. Entscheidend für die Unterscheidung zwischen den Veranlagungsarten ist die Frage der Eigenverantwortlichkeit. Die Antwort auf diese Frage wird verkompliziert durch die Hilfe mehrerer fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte, deren sich der Mandant bedient. In diesen Fällen kommt es für die Frage der Eigenverantwortlichkeit zum einen darauf an, ob er selbst in ausreichendem Maße mitarbeitet. Entscheidend ist aber auch, dass er durch regelmäßige Kontrolle und Planung maßgeblich auf die Tätigkeiten der Mitarbeiter Einfluss nimmt. Deren Leistungen müssen aus steuerrechtlichem Blickwinkel den „Stempel seiner Persönlichkeit“ tragen. Die Unterscheidung ist oft schwierig. Das Finanzamt argumentiert, dass eine solche nötige Einflussnahme aufgrund der Anzahl der Aufträge gar nicht möglich sei. Dabei übersieht es aber die Möglichkeiten moderner Kommunikation. Per Video, Sofortnachrichten und Telekonferenzen kann heutzutage ein Arzt mit seinen Mitarbeitern jederzeit problemlos kommunizieren und auf deren Tätigkeiten Einfluss nehmen. Dies ist im Rahmen einer Klagebegründung sorgfältig herauszuarbeiten.

In einem anderen Fall unterstützt Westermann einen Mandanten in einem Bewährungswiderrufsverfahren, es drohen mehrere Jahre Haft. Der Mandant war vor ca. drei Jahren zu der Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Als Auflage war ihm die Zahlung eines hohen Geldbetrages in Raten aufgegeben worden. Nun verlief die Zahlung lange Zeit problemlos, im letzten Jahr stellten sich jedoch finanzielle Probleme ein. Es wurden Zahlungen verpasst. Ein Wechsel in der Bewährungsaufsicht führte zu Problemen mit dem neuen Bewährungshelfer, teils sind Besprechungstermine nicht eingehalten worden. Kurz vor Ende der Bewährungszeit widerrief das zuständige Amtsgericht deshalb die Bewährung. Neu im Beschwerdeverfahren beauftragt muss Westermann darlegen, warum ein Widerruf rechtswidrig, da unverhältnismäßig ist. Nicht jeder Verstoß gegen Bewährungsauflagen rechtfertigt einen Widerruf. Vielmehr muss sich aus den Verstößen darauf schließen lassen, dass der Verurteilte sich die Bewährungsstrafe nicht zur Warnung vor neuen Straftaten dienen lässt. Bei der Begehung neuer Straftaten in der Bewährungszeit ist dies einleuchtend. Alle anderen Verstöße müssen jedoch danach bewertet werden, ob sie tatsächlich Rückschlüsse auf eine mögliche erneute Strafbarkeit zulassen. Dies ist bei nachvollziehbaren Zahlungsproblemen und teilweise unterbrochenen Kontakt zu einem Bewährungshelfer regelmäßig nicht der Fall.

In einer Hauptverhandlung vor einem Landgericht in NRW verteidigt Westermann einen Mandanten wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung. Der Sachverhalt ist dabei nicht streitig. Der Mandant hatte mit seinem Unternehmen Waren im Wert von mehreren Millionen Euro erworben, für die er im Rahmen einer Umsatzsteuerjahreserklärung den Vorsteuerabzug geltend machte. Aufgrund späterer Zahlungsschwierigkeiten musste er die Ware jedoch bereits im Folgejahr an die Lieferanten zurückgeben. Eine Korrektur des Vorsteuerabzuges geschah jedoch erst im Rahmen der für das Folgejahr verspätet abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung. Aufgrund der Zahlungsschwierigkeiten konnte er die Umsatzsteuerschuld auch nicht begleichen. Letzteres führt dazu, dass trotz der korrigierten Umsatzsteuerjahreserklärung keine wirksame Selbstanzeige vorliegt. Eine solche sogenannte „verunglückte“ Selbstanzeige wird im Rahmen der Urteilsfindung zu Gunsten des Mandanten berücksichtigt werden. Verteidigungsarbeit bedeutet oftmals ebenso wichtig wie unspektakulär, den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen den Vorstellungen der Strafjustiz und dem Mandanten und dessen bürgerlicher Existenz herzustellen: Die Vermeidung einer oft stigmatisierenden Hauptverhandlung statt drei Verhandlungstage mit Presseauftrieb, die Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage statt einer Bewährungsstrafe, die Rettung der bürgerlichen Existenz durch eine noch bewährungsfähige Haftstrafe anstatt der den Mandanten und seine Familie sowie sein Unternehmen schwer beeinträchtigenden Haftverbüßung.