Was machen wir im März

Minoggio freut sich zunächst  auf ein paar Tage Kurzurlaub im Süden. Davor und danach sind umfangreiche Zeugenvernehmungen in einem wirtschaftlich bedeutungsvollen, seit Jahren laufenden Zivilverfahren Ende des Monats vor einem norddeutschen Landgericht vorzubereiten mit Zeugen, die sich bereits in Strafverfahren und vor anderen Gerichten geäußert hatten. Dieses Material muss genau aufgearbeitet und mit anderen, objektiven Beweismitteln abgeglichen werden. Kommt es auf eine Zeugenaussage an und erscheinen die Neutralität oder Wahrheitsliebe des Zeugen zweifelhaft, entfällt  nicht selten auf jede 10 Minuten Zeugenvernehmung eine Stunde Vorbereitungsarbeit, will man etwas erreichen.

Mit Zeugen im deutschen Gerichtssaal ist es so eine Sache: In der forensischen Wissenschaft ist unumstritten, dass der Zeuge gegenüber dem Sachverständigen und Dokumenten das unsicherste Beweismittel darstellt. Aber andererseits auch das wichtigste.

Und welcher Richter oder Rechtsanwalt lernt in seiner Ausbildung, einen Zeugen richtig zu befragen, den Wahrheitsgehalt einer Aussage möglichst richtig zu beurteilen? Niemand, das Thema ist „nicht examensrelevant“.  Wieviel Weiterbildung und deutschsprachige Literatur zu diesem zentral wichtigen Thema gab und gibt es? Vor 20 Jahren: Nichts. Heute: viel zu wenig, höchst sporadisch am Rand der Neuerscheinungen und der Seminarangebote.

Und wieso? Wohl weil fast jeder Richter und jeder Rechtsanwalt meint, mit der jeweiligen Berufszulassung müsse er das Thema ja beherrschen und beherrsche es deshalb auch.  Dann geht es weiter nach G. B. Shaw: Manch einer macht 20 Jahre Fehler und hält das danach für Erfahrung.

Die Ergebnisse im Gerichtssaal sind nicht selten grauenhaft, auf den ersten Blick armselig im internationalen Vergleich. Ein englischer Barrister oder ein US-amerikanischer Staatsanwalt/forensisch tätiger Rechtsanwalt wären konsterniert über das nur durch Ausnahmen abgemilderte Bild in deutschen Gerichtssälen.

Was tun? Problem für sich selbst als solches erkennen, Juristenüberheblichkeit über Bord werfen, fortbilden, in die Praxis umsetzen, weiter fortbilden.

Daneben steht für Minoggio im März die weitere Vorbereitung auf ein gewichtiges Steuerstrafverfahren in Süddeutschland an, bei dem ein  durch qualifizierte Berater hochgelobtes Steuersparmodell von der Finanzverwaltung und der Strafjustiz als bloßes Vehikel zur Steuerhinterziehung angesehen wird.

Gleich zu Beginn des Monats März nimmt Wehn in einem umfangreichen Steuerstrafverfahren in einer rheinischen Großstadt an einer Schlussbesprechung teil. Es geht darum, eine für den Mandanten tragbare steuerliche Lösung mit der Finanzverwaltung auszuhandeln bei möglichst gleichzeitigem Abschluss des Steuerstrafverfahrens. Hierzu ist eine umfangreiche Besprechung anberaumt, in der neben den verschiedenen Behörden der Finanzverwaltung auch die Steuerberater des Mandanten involviert sind. Wir sind zuversichtlich, eine Lösung zu finden.

Vorzubereiten ist daneben ein Verfahren vor einem westfälischen Gericht, in dem gegen den Mandanten verschiedene Delikte verhandelt werden, die im Zusammenhang mit einer Firmengründung stehen. Angeblich soll der Angeklagte Finanzierungen bei der Gründung seines Unternehmens erschlichen haben, in dem er nicht vorhandene Baumaschinen an Banken sicherungsübereignet hat – insoweit wird aufzuklären sein, ob und ggf. welche Überprüfungen die Bank überhaupt vorgenommen hat. Oftmals wundert man sich, wie leichtfertigt auch heute noch Finanzierungen durch Banken oder Finanzierungsgesellschaften erfolgen, ohne dass die Existenz oder Werthaltigkeit etwaiger Sicherungen überhaupt geprüft wird.

In einem weiteren Verfahren vor einem süddeutschen Gericht steht ein Verhandlungstermin an, bei dem der Insolvenzverwalter gegen einen Mandanten klagt, gegen den parallel ein Strafverfahren wegen Insolvenzverschleppung u.a. anhängig ist. Der Insolvenzverwalter ist der Auffassung, der Mandant habe von ihm (angeblich) veruntreute Gelder zur Insolvenzmasse zu erstatten. Zur Begründung seines Anspruchs beruft er sich auf ein (von ihm selbst!) erstelltes Sachverständigengutachten. Das dürfte das Gericht allerdings eher nicht mitmachen und sich ggf. der Hilfe eines unabhängigen Sachverständigen bedienen.

Schließlich ist nach wie vor anhängig das schon in den letzten Monaten häufig verhandelte Schwurgerichtsverfahren, bei dem nunmehr der Prozess mit den Sachverständigengutachten weiter– und demnächst auch zu Ende geht.

Bischoff vertritt aktuell einen Steuerberater aus dem Sauerland, der von der Finanzverwaltung unberechtigt für Steuerschulden seines ehemaligen Mandanten im sechsstelligen Bereich in die Haftung genommen wurde. Sein Anspruch auf rechtliches Gehör wurde bei Bescheiderlass verletzt. Die Haftung wird auf eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung gestützt, ohne dass dafür konkrete Anhaltspunkte existieren. Begründet wird die Haftungsinanspruchnahme lediglich mit formelhaften Wendungen und Behauptungen.

Einem solchen Vorgehen muss konsequent entgegengetreten werden. Dies gilt umso mehr, da die Bescheide bereits vollziehbar sind und die Größenordnung als wirtschaftlich bedeutsam einzuordnen ist. Es geht deshalb auf der ersten Stufe darum, möglichst schnell eine Aussetzung der Vollziehung zu erreichen. Notfalls muss das Finanzgericht im Eilverfahren entscheiden.

In einem gerade erst übernommenen Berufungsverfahren vor einem Landgericht im Ruhrgebiet steht bereits Verhandlungstermin an. Es geht ausnahmsweise nicht um Wirtschafts- oder Steuerstrafrecht, sondern um Straftaten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln. Verhandlungsziel: Die bisherige Freiheitsstrafe ohne Bewährung soll auf einen bewährungsfähigen Bereich von bis zu maximal zwei Jahren Freiheitsstrafe reduziert werden. Mit dem Mandanten muss eine gemeinsame Verteidigungsstrategie ausgearbeitet werden. Wesentliche Bestandteile werden eine akribische Vorbereitung der Befragungen der Hauptbelastungszeugen sowie eine weitergehende Aufklärungshilfe sein. Die Zeugen hatten sich bereits vor dem Amtsgericht in Widersprüche verstrickt. Hieran kann angeknüpft werden.

Des Weiteren führt Bischoff im März 2019 mehrere ganztägige Workshops in Berlin und Frankfurt für Institute der Finanzdienstleistungsbranche durch, in denen es um Geldwäscheprävention und interne Ermittlungen bei Geldwäscheverdacht geht. Die Teilnehmer erlernen zum einen die rechtlichen Grundlagen der Geldwäsche im StGB und GWG kennen. Zum anderen steht im Mittelpunkt der Workshops, die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine unternehmenseigene Aufklärung kennen zu lernen sowie die tatsächliche Durchführung einzelner Ermittlungsmaßnahmen anhand von Fallstudien durchzuspielen. Die Befragung des Verdächtigen (Belehrung, Anwesenheit eines Anwaltes, Auskunftspflicht gegenüber dem Arbeitgeber, Beweisverwertungsverbote) bildet dabei das Herzstück der Schulungsmaßnahme – auf einer gegenwärtig nur fragmentarisch vorhandenen Rechtsgrundlage.

Wenn das sehr volle Programm für den Monat März geschafft ist, lockt als Belohnung ein einwöchiges Wander-Bootcamp bei Sonnenschein auf einer griechischen Insel, Höhenmeter und Muskelschmerzen garantiert.

Im März beschäftigt sich Rechtsanwalt Possemeyer u.a. mit einem Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Problematisch ist die rechtliche Einordnung des Falles.

Nach § 30 a Betäubungsmittelgesetz wird mit Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren bestraft, wer mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt und dabei eine Schusswaffe mit sich führt. In diesem Fall wurden eine größere Menge Betäubungsmittel im Keller des Beschuldigten gefunden. In der Wohnung hat die Polizei griffbereit eine Waffe sichergestellt. Grundsätzlich reicht der gleichzeitige Besitz von zum Verkauf  bestimmten Drogen und Waffen in der Wohnung aus. Jedoch muss die Waffe  griffbereit, also leicht zugänglich sein. Hier lagen die Drogen im Keller, so dass die Waffe nach unserer Einschätzung bereits aufgrund der Entfernung zu den Drogen nicht als leicht zugänglich anzusehen ist und die Voraussetzungen der Norm nicht erfüllt sind.

Ferner  wird Possemeyer beim Landgericht Dortmund in einem Berufungsverfahren wegen zweier Wohnungseinbruchsdiebstähle verteidigen. In erster Instanz hat der Angeklagte eine Freiheitstrafe von einem Jahr und 6 Monaten ohne Bewährung erhalten. Das Amtsgericht war u.a. aufgrund der eingeholten Verkehrsfunkdaten davon überzeugt, dass der Angeklagte an den Taten beteiligt war. Sein Handy war zu diesem Zeitpunkt in der entsprechenden Funkzelle eingeloggt. Es ist für die Strafverfolgungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen und für einen bestimmten zurückliegenden Zeitraum möglich, sämtliche Handys und deren Daten, die in einer Funkzelle eingeloggt waren, herauszufinden und zuzuordnen. Ziel der Berufung ist es nunmehr, eine bewährungsfähige Strafe zu erreichen. Aufgrund des Zeitablaufs und der persönlichen Umstände des Mandanten dürfte dies ein realistisches Ziel sein.

In einem anderen Fall wird Possemeyer bei einem Amtsgericht eine Mandantin verteidigen, die immer wieder im stark alkoholisierten Zustand Fahrrad fährt. Hier steht die soziale Betreuung im Vordergrund und nicht die strafrechtliche Vertretung. Aufgrund persönlicher Schicksalsschläge in der Vergangenheit erleidet die schwer alkoholabhängige Frau immer wieder Rückfälle nach guten Therapieansätzen. Jedenfalls meint Possemeyer, dass in einem solchen Fall die Justiz Augenmaß beweisen sollte und auch die Öffentlichkeit Verständnis zeigen wird, wenn in einem solch besonderen Fall keine weitere Sanktion erfolgt. Ein vermeintlich „kleiner“ Fall mit großen Auswirkungen für die anvertraute Mandantin.

In einem Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung bereitet Westermann einen Haftprüfungstermin vor. Nach der Tat war gegen seinen Mandanten wegen Fluchtgefahr Untersuchungshaft angeordnet worden. Nach Aktenstudium und Gesprächen auch mit dessen Familie scheint ein Haftprüfungsantrag erfolgversprechend: Die Verletzungen des Geschädigten entpuppten sich als weniger schwerwiegend als angenommen, eine Notwehrsituation liegt nahe. Dies weckt erhebliche Zweifel daran, dass der Mandant, wie zunächst vom Haftrichter angenommen, tatsächlich mit einer nicht mehr bewährungsfähigen Strafe rechnen müsste. Zusammengenommen mit dem engen sozialen Netz (Familie und Arbeitsstätte), ist ein Fluchtanreiz so gut wie ausgeschlossen. Da auch kein anderer Haftgrund vorliegt, hat eine Haftprüfung gute Chancen. Wie immer in solchen Konstellationen lohnt sich die frühzeitige Kontaktaufnahme mit dem ermittelnden Staatsanwalt. Obwohl letztlich der Haftrichter über die Aufhebung  oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls entscheidet, spielt die Zustimmung der Staatsanwaltschaft fast immer eine (zu) große Rolle.

Grundsätzlich muss das Vorliegen von Haftgründen nicht erst im Rahmen einer Haftprüfung, sondern bereits im Rahmen der vorläufigen Festnahme geprüft werden. Falls allerdings die Staatsanwaltschaft Haftgründe sieht und einen Haftbefehl beantragt, trifft der zuständige Richter in dem nach einer vorläufigen Festnahme immer stattfindenden Vorführtermin oftmals keine andere Entscheidung. Umso erfreulicher ist es, wenn sich wie vergangenen Monat geschehen ein Richter im Vorführtermin in Ruhe mit dem Vorwurf und den sozialen Verhältnissen eines Mandanten auseinandersetzt und im Ergebnis den gerade erst von ihm erlassenen Haftbefehl trotz eines ernstzunehmenden Vorwurfs sofort wieder außer Vollzug gesetzt – sei es auch unter strengen Auflagen, z.B. häufigen Meldungen bei der örtlichen Polizei und einer Kaution.

In mehreren Verfahren fertigt Westermann Verteidigungsschriftsätze an. Unter anderem wird einem Mandanten vorgeworfen, bei der Übernahme einer Geschäftsführertätigkeit eine Gewerbeuntersagung nicht angegeben zu haben. Damit stünde einer Strafbarkeit nach dem GmbH-Gesetz im Raum. Nach dessen § 82 macht sich strafbar, wer z.B. bei der Übernahme einer Geschäftsführertätigkeit entgegen den Tatsachen die Versicherung abgibt, dass einer Geschäftsführertätigkeit keine Gründe entgegenstehen. In diesem Fall war dem Mandanten nicht bewusst, dass sich die gegen ihn ausgesprochene teilweise Gewerbeuntersagung auch auf seine neue Tätigkeit bezieht, da es sich um einen völlig anderen Geschäftsbereich handelt. Damit unterliegt der Mandant m.E. allerdings einem sog. Tatbestandsirrtum, der eine vorsätzliche Tat ausschließt. Das muss klar gemacht und belegt werden.

In dem im Februar erwähnten Verfahren wegen Schwarzarbeit in einem Gastronomiebetrieb konnte Westermann mit der zuständigen Staatsanwaltschaft eine Einigung finden. Das Hauptzollamt konnte davon überzeugt werden, dass die Mitarbeit der Familie einen viel höheren Anteil an den Arbeitszeiten ausmacht, als zunächst angenommen. Nachdem die zunächst hohen Zuschätzungen zwar nicht ganz beseitigt, aber auf ein nachvollziehbares Maß zurückgenommen worden waren, wird das Strafverfahren nunmehr in Kürze nach Zahlung einer Geldauflage ohne jede förmliche Bestrafung eingestellt.