Das sog. „Goldfinger“-Verfahren, Verteidigung eines Berufskollegen und Arbeit an der Neuauflage unseres Fachbuchs „Unternehmensverteidigung“

Minoggio macht zunächst eine Woche Urlaub, wegen Corona das erste Mal in diesem Jahr. Andere Gedanken, Luft holen, liegen gebliebene Fachzeitschriften lesen. Danach steht steuerrechtlich äußerst anspruchsvolle Arbeit in einem von der Presse so titulierten „Goldfinger“-Steuerstrafverfahren (und im parallel laufenden Besteuerungsverfahren) an. Mehr und mehr kristallisiert sich dort heraus, dass Finanzbehörden und ihnen folgend Strafverfolgungsbehörden das getan haben, was allen schadet: Auf der Basis eines höchst unsicheren und sogar bei Licht betrachtet wohl nicht existierenden Steueranspruches ein Strafverfahren mit für andere Beteiligte massiven Eingriffen in ihre Berufsfreiheit, ihre persönliche Freiheit und ihre bürgerliche Existenz durchzuführen.

„Erst wenn die Steuerbarkeit eindeutig geklärt ist und der Steuerpflichtige sich nicht daran hält, ist der Einsatz des Strafrechts gefordert … Völlig unakzeptabel ist es, wenn in einem Ermittlungsverfahren Untersuchungshaft angeordnet wird, obwohl der zugrunde liegende Sachverhalt kaum aufgeklärt ist oder der Haftbefehl auf eine Rechtsauffassung gestützt wird, die im Steuerrecht allenfalls eine Mindermeinung vertritt.“

Diese Grundsätze hat kein Steuerstrafverteidiger geschrieben (was an der Richtigkeit der Ausführungen auch nichts ändern würde). Diese klaren und richtigen Programmsätze stammen aus der Feder einer Veröffentlichung von Mellinghoff im Jahr 2014 (Die Steuerberatung 2014, Seite 97) und damit dem damals und heute amtierenden Präsidenten des Bundesfinanzhofes als dem obersten deutschen Steuergericht. Man sollte endlich auf ihn hören, immer und überall bei jeder Finanzbehörde und jeder Staatsanwaltschaft in Deutschland.

Das ist in der Praxis leider nicht so. Dann werden unberechtigt Existenzen bedroht und zerstört. Keineswegs ist der Steuerpflichtige am Ende der Gewinner. Er verliert immer durch Nerven- und Kostenbelastung. In manchen Fällen können die Verfahrenseinstellung oder sogar der Freispruch nach Kampf über Jahre seine bürgerliche Existenz oder den Zusammenhalt seiner Familie oder seines Unternehmens nicht mehr retten. Rehabilitiert wird er nie. Würde man stattdessen auf Mellinghoff hören, müsste sich die Finanzverwaltung in derartigen Fällen auch nicht den Vorwurf gefallen lassen, sie suche zuweilen Steueransprüche auf höchst unsicherer Steuerrechtsgrundlage mit dem „Steuerstrafknüppel“ auf Kosten der Bürger durchzusetzen, um eine genaue Prüfung durch die Finanzgerichte zu verhindern. Auch derartige Einzelfälle sind als Ausreißer zu beklagen. Alle Seiten würden sie sich ersparen, wenn Steuerstrafverfahren strikt nur bei eindeutiger Verletzung eindeutiger Steuergesetze und einem durch Tatsachen belastbaren Verdacht auf einen steuerstrafrechtlichen Vorsatz dabei eingeleitet werden würden.

Ferner ist ein Berufskollege aus Hessen zu verteidigen gegen den Vorwurf einer eigenen Strafbarkeit wegen Geldwäsche. Die Vorschrift ist längst in der Praxis angekommen, für den zivilrechtlich tätigen Anwalt ist auch die leichtfertige Geldwäsche strafbar, eines Vorsatzes bedarf es nicht. Kenntnis und Sensibilität sind nicht bei allen Anwälten, Steuerberatern und Bankern genügend ausgeprägt, im Einzelhandel schon überhaupt nicht. Vielerorts wird Geldwäsche immer noch auf Bargeldwäsche reduziert und damit mindestens 80 % des Gefahrenbereichs vernachlässigt. Für Berufsgeheimnisträger ist darüber hinaus die massive und verfassungsrechtlich kaum sauber auflösbare Zwangssituation zu berücksichtigen, möglicherweise hinter dem Rücken des eigenen Mandanten heimlich Meldepflichten erfüllen zu müssen. In Teilbereichen  – etwa bei der qualifizierten Steuerhinterziehung als tauglicher Geldwäschevortat –  lässt sich darüber hinaus das Gesetz schlicht nicht für jeden Fall auch nur annähernd rechtssicher auslegen. Wer das nicht glaubt, mag sich nur die Geldwäschekommentierung im absoluten Standardwerk von Fischer, StGB durchlesen, die in diesem Bereich und nicht viel weniger betreffend die Geldwäschevorschrift insgesamt an vielen Stellen in ratlosem Sarkasmus über die gesetzgeberische Fehlleistung endet.

Schließlich müssen alle Kollegen und vornehmlich Bischoff und Minoggio das Konzept für das von der Kanzlei in mittlerweile 3 Auflagen verantwortete Fachbuch Unternehmensverteidigung – die Vertretung von Unternehmensinteressen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren in Gestalt der 4. Auflage beim Beck-Verlag erarbeiten und mit den Verlagsverantwortlichen besprechen: Das Verbandssanktionengesetz steht vor der gesetzgeberischen Tür und macht qualifizierte Unternehmensverteidigung erforderlicher denn je. Die Neuauflage der Unternehmensverteidigung (Erscheinen 4. Auflage für Ende 2020/Frühjahr 2021 geplant) wird sich mit diesem Gesetz und seinen massiven Konsequenzen für Wirtschaftsunternehmen (partiell ist nichts weniger als die Einführung einer Abstrafung der legitimen Vertretung legitimer Unternehmensinteressen geplant) zu befassen haben.

Fortsetzung Corona-Krise auch im Strafrecht, „Routine“ bei Schätzfällen im Steuerrecht, prozessökonomische Verschlankung eines aufgeblähten Falles im Mandanteninteresse, die 1.000-Kilometer-Marke im Blick…

Die Corona-Krise mit den spezifischen Strafrechtsrisiken (https://www.minoggio.de/bischoff-b-die-corona-krise-und-das-strafrecht-in-profile-2020-ausgabe-2-s-26-ff/) beschäftigt Bischoff auch im Juni 2020. Erste Strafverfahren wegen angeblichen Verstoßes gegen mündliche oder schriftliche Quarantäneanordnungen liegen auf dem Schreibtisch. Beschuldigte haben sich oftmals nicht bewusst über eine behördliche Anordnung hinweggesetzt, sondern waren sich lediglich über die konkrete Reichweite von Kontakt- und Ausgangsverboten nicht im Klaren. Telefonische Belehrungen durch Behördenmitarbeiter fielen manchmal erstaunlich knapp aus. In Quarantäne versetzte Betroffene, die zu Beginn des Pandemieausbruchs aus einem der österreichischen Skigebiete zurückgekehrt waren, aber persönlich (noch) keine Krankheitssymptome aufwiesen, waren durch manche Hinweise der Behörden regelrecht verunsichert. Sie wussten nicht, was sie durften und was nicht. Hinzu kommt aus rechtlicher Sicht, dass sich die zugrunde liegenden Straf- und Bußgeldvorschriften mehrfach in schneller Folge geändert haben. Wenn es in einem Fall tatsächlich darauf ankommt, muss genau geprüft werden, welche Rechtslage zum Zeitpunkt des Verstoßes galt und ob diese Rechtsgrundlage wirksam erlassen werden konnte. Juristisches Handwerkzeug. In unklaren Fällen mit allenfalls einmaligem Verstoß aus Unwissenheit lässt sich aber in der Regel eine schnelle und prozessökonomische Einstellung des Verfahrens ohne aufwändige Rechtsprüfung und ohne jede Konsequenz erreichen.

Anders zu beurteilen sind die eher seltenen Verstöße, in denen ein Beschuldigter tatsächlich bereits wusste, dass er infiziert war. Hat er sich nach diesem Testergebnis und Quarantäneanordnung beispielsweise mit einer größeren Menschenmenge getroffen und möglicherweise weitere Personen infiziert, droht strafrechtlicher Ärger. Auch Körperverletzungsdelikte können einschlägig sein. Die Verteidigung ist deshalb in solchen Fällen aufwändiger. Es kann dabei auf besondere Umstände des Einzelfalls ankommen, die es herauszuarbeiten gilt: ein falsches Vorstellungsbild von der Gefährlichkeit des Verhaltens; Nachweisschwierigkeiten, dass die Infizierten sich nicht anderweitig infiziert haben; Missverständnisse über die Reichweite der Verbote; Notsituationen.

Der Schwerpunkt der strafrechtlichen Beratung in der Corona-Krise liegt bei Bischoff aktuell im Bereich von möglicherweise zu Unrecht gewährten oder verwendeten Soforthilfen (Anträge bis 31.5.2020). In den ersten Wochen des Pandemieausbrauchs überwogen nicht nur bei Kleinunternehmern und Soloselbstständigen verständlicherweise Existenzängste und wurde jeder wirtschaftliche Strohhalm zur Existenzsicherung ergriffen. Die Regelungen zu den Voraussetzungen für einen erfolgreichen Antrag waren relativ unübersichtlich, wichen von Bundesland zu Bundesland voneinander ab und veränderten sich angesichts der Kurzfristigkeit ihrer Verabschiedung auf Bund- und Länderebene mehrfach. Diese verworrene Situation führte dazu, dass in Einzelfällen zunächst ein Zuschuss in Anspruch genommen wurde, dessen Beantragung sich im Nachhinein als (möglicherweise) unberechtigt herausstellte. Teilweise machten Unternehmensverantwortliche oder deren Mitarbeiter auf die Schnelle aus Unachtsamkeit oder aufgrund falschen Verständnisses unzutreffende Angaben zu den Voraussetzungen. Wurden dann später in Ruhe die Zuwendungsbescheide mit den detaillierten Hinweisen gelesen, tauchte nicht selten Unbehagen auf, ob man alles richtig gemacht habe. Aus Angst vor einem persönlichen Strafbarkeitsrisiko erreichen uns deshalb vermehrt Anfragen über den richtigen Umgang mit einer solchen Problematik, nicht selten auch durch Steuerberater, die in der Krise der erste Ansprechpartner des Mandanten im Antragsdschungel waren. Jeder Fall liegt anders. Sind die Voraussetzungen für die Zuschussgewährung jedoch tatsächlich zweifelhaft, ist es oftmals richtig, proaktiv vorzugehen und freiwillig und ohne Aufsehen zurückzuzahlen. Die Rückzahlung wird dabei nur durch eine kurze Erklärung angekündigt, dass die Beantragung in der Hektik und Not versehentlich in Unkenntnis der tatsächlichen Voraussetzungen erfolgt ist. Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist zwar im Gegensatz zur Steuerhinterziehung nach Auszahlung des Zuschusses nicht mehr möglich. Dennoch kann ein solches Vorgehen mit sofortiger Schadenswiedergutmachung dazu führen, dass es gar nicht zur Einleitung eines Strafverfahrens kommt. Entscheidend ist dabei, dass der Behörde ein Rückforderungsverfahren mit möglichem Forderungsausfall erspart wird und die anfänglichen Unsicherheiten über die Voraussetzungen für die Beantragung sowie der vor Wochen äußerst hohe Zeitdruck bei den Unternehmen bekannt sind. Da genau diese Strafrechtsprobleme momentan auch vermehrt an den Berufsstand des Steuerberaters als weiterhin ersten Ansprechpartner vor allem des Mittelstandes (KMU, vgl. hierzu Erläuterung bei https://www.kfw.de/Download-Center/F%C3%B6rderprogramme-(Inlandsf%C3%B6rderung)/PDF-Dokumente/6000000196-KMU-Definition.pdf) herangetragen wird, bietet Bischoff Mitte Juni 2020 erneut für den Steuerberaterverband Westfalen-Lippe und die Akademie für Steuerrecht und Wirtschaft ein Webinar zu den strafrechtlichen Risiken in der Corona-Krise an. Parallel dazu erscheint in der Verbandszeitschrift Profile ein kurzes Update zu den Strafbarkeitsrisiken u.a. mit einem Hinweis auf die tagesaktuelle Entscheidung des Finanzgerichtes Münster zur Unpfändbarkeit des Sofortzuschusses (https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/pfaendung-der-corona-soforthilfe-unzulaessig) und zum richtigen Umgang mit Zuschussanträgen. Es erscheint insgesamt sicher, dass die strafrechtliche Beratungspraxis noch Monate durch die Aufarbeitung der Corona-Krise beschäftigt sein wird.

Das Tagesgeschäft geht ebenfalls weiter. Mehrere Schlussbesprechungen in Betriebsprüfungen sind vorzubereiten. Das Thema Schätzung ist dabei wie immer ein Dauerbrenner. Die Argumente sind im Prinzip immer die gleichen. Leichte, rein formelle Mängel der Buchführung rechtfertigen keine griffweise Hinzuschätzung zu einem festen Prozentsatz des Umsatzes oder Gewinns, auch wenn von Betriebsprüfern gerne ein Hinzuschätzungsrahmen von 3 bis 10 %  propagiert wird. Hinzukommen müssen für eine Schätzungsbefugnis Hinweise auf materielle Mängel der Buchführung, die sich nur bei gravierenden Formalfehlern allein aus diesen ableiten lassen. Ansonsten sind zusätzliche Feststellungen beispielsweise zu Schwarzeinkäufen oder zu Schwarzverkäufen erforderlich. Zudem muss eine Schätzung immer zu einem möglichst plausiblen und wirtschaftlich möglichen Ergebnis führen und darf nicht ins Blaue hinein ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles erfolgen.

Es überrascht deshalb immer wieder, wie oft in vorläufigen Prüfungsfeststellungen der Betriebsprüfung einige kleinere formelle Mängel zusammengestellt werden (die sich beispielsweise in fast jeder Kassenführung finden) und hierauf eine pauschale Hinzuschätzung von etwa 10 % des Gesamtumsatzes gestützt werden soll. Dann ist gemeinsame Aufgabe von Steuerberatung und anwaltlicher Vertretung, die tatsächlichen Besonderheiten der Branche und des Einzelgewerbes herauszuarbeiten. Nur auf diese Weise kann einer rechtswidrigen Hinzuschätzung mit inhaltlichen Argumenten erfolgreich entgegengetreten werden. Oftmals finden sich sodann im persönlichen Gespräch mit der Behörde oder nach einer übersichtsartigen Stellungnahme zu den Feststellungen Lösungspakete, die dem Mandanten eine langwierige Auseinandersetzung ersparen und mit denen sich leben lässt.

Darüber hinaus hat Bischoff ein umfangreiches Finanzgerichtsverfahren vor einem norddeutschen Finanzgericht übernommen. Nachdem eine Akteneinsicht zur Einarbeitung trotz der Corona-Beschränkungen zwischenzeitlich organisiert werden konnte, muss jetzt ein Schriftsatz vorbereitet werden. Der Fall zeichnet sich dadurch aus, dass im Rahmen einer Betriebsprüfung eine Fülle von Einzelsachverhalten nicht geklärt werden konnten, die sich zudem auf verschiedene Veranlagungszeiträume auswirken und die als Dauersachverhalte teilweise eine begonnene Anschlussprüfung blockieren. Zieht sich der Rechtsstreit über Jahre hin, ist es für die Steuerberatung der Unternehmensgruppe eine Herausforderung, die offenen Sachverhalte und strittigen Rechtsfragen jeweils in allen Abschlüssen und Erklärungen adäquat in sämtlichen Varianten zu berücksichtigten und ausreichende Transparenz für die Finanzverwaltung herzustellen. Spiegelbildlich hierzu ergeben sich die gleichen Probleme in der Prüfungssituation für die Finanzverwaltung. Ggf. müssen später eine Vielzahl von Bescheiden korrigiert werden. Für den Unternehmer ist es darüber hinaus schwierig, auf dieser unsicheren Grundlage unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Kreditinstitute mögen ebenfalls keine langjährigen Betriebsprüfungen mit ungewissem Ausgang. Neben einer sorgfältigen Aufarbeitung der einzelnen Problemkreise sowie einer rechtlichen Einschätzung ist deshalb oberstes Ziel, zunächst eine Verschlankung des Verfahrens auf die wesentlichen Streitpunkte und die Erarbeitung von praktikablen Lösungsansätzen zu erreichen. Dabei muss nicht jeder wirtschaftlich unbedeutende Kampf ausgefochten werden.

Das Corona-Virus hat neben aller Begeisterung für die technischen Möglichkeiten in Webinaren, Videokonferenzen und Online-Meetings auch dazu geführt, dass Bischoff Veranstaltungen mit persönlichem Kontakt mehr denn je zu schätzen weiß. Es ist etwas komplett anderes, sich nach einem Vortrag mit einzelnen Teilnehmern bei Kaffee und Kuchen über besondere Fallgestaltungen auszutauschen, sich auf Norderney im persönlichen Austausch mit Richtern des Bundesfinanzhofes fortzubilden oder auf dem Sommerfest des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe im entspannten Rahmen bei einem Bier über fachliche oder berufsrechtliche Themen zu diskutieren. Deshalb bleibt aus ihrer Sicht zu hoffen, dass im Jahr 2021 einerseits die nicht von der Hand zu weisenden Verbesserungen und Vereinfachungen durch die Digitalisierung gewahrt bleiben, andererseits aber auch bewährte Formate von Mensch zu Mensch nicht komplett aufgegeben werden (müssen).

Außerhalb von Mandaten schreibt Bischoff aktuell wieder gemeinsam mit Minoggio an Beiträgen zum aktuellen Wirtschafts- und Steuerstrafrecht für die Verbandszeitschrift des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe. Darüber hinaus müssen bereits zugesagte Veröffentlichungsprojekte insbesondere zur Unternehmensverteidigung geplant werden. Die Einführung eines Verbandssanktionengesetztes ist zumindest seit dem 22.4.2020 deutlich wahrscheinlicher geworden, seitdem der Gesetzesentwurf (https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Staerkung_Integritaet_Wirtschaft.pdf?__blob=publicationFile&v=1) veröffentlich ist, auch wenn das weitere Gesetzgebungsverfahren selbstverständlich abzuwarten bleibt.

Nachdem die ersten Urlaubstage des Jahres ausgefallen sind, plant Bischoff im Juni 2020 eine viertägige Wanderung auf dem Rheinsteig, einem der abwechslungsreichsten Mittelgebirgs-Wanderwege des Landes. Mit etwas Disziplin schafft sie es, zum Ende des Monats die ersten 1.000 Wanderkilometer des Jahres abzuschließen.

Verteidigung einer Berufskollegin gegen einen Beihilfe- Vorwurf , sowie eines Steuerpflichtigen gegen unbegründete Verdächtigungen durch die Steuerfahndung.

 

Vor der Wirtschaftsstrafkammer eines niedersächsischen Landgerichts vertritt Wehn eine Berufskollegin, der Beihilfe zum gewerbsmäßigen Betrug bei einem ihrer Mandanten vorgeworfen wird. Dieser soll mit seiner Firma über Jahre hinweg einen sogenannten „Offertenbetrug“ begangen haben. Dabei werden massenhaft Angebotsschreiben über die Eintragung oder Änderung von gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen an Firmen versendet. Diese Angebote sind dabei optisch kaum von Rechnungen zu unterscheiden. Basis dieses Modells ist die Hoffnung, dass aus Unachtsamkeit oder Sorge die in dem Schreiben genannten Beträge überwiesen werden, ohne die Rechtsgrundlage genau zu prüfen. Der Kollegin wird nun vorgeworfen, trotz Kenntnis dieser Umstände zahlreiche Dienste zur Unterstützung erbracht zu haben, insbesondere im Rahmen von Zivilverfahren mit dem Ziel, Forderungen aus dem Offertenmodell für ihren Mandanten zu realisieren. Die Staatsanwaltschaft begründet die Anklage damit, dass auch sogenannte berufstypische Handlungen (also das Alltagsgeschäft eines Anwalts) strafbare Beihilfe darstellen können, wenn z.B. das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf abzielt, eine strafbare Handlung zu begehen, und der Anwalt als Hilfeleistender dies weiß. Im vorliegenden Fall hätte die Anwältin nach Meinung der StA aufgrund des Verlaufs mehrere Zivilverfahren positive Kenntnis von den strafbaren Handlungen ihrer Mandanten gehabt. Die Mandantin bestreitet die Vorwürfe, und die Anklage steht –Stand heute- auf tönernen Füßen. Selbst im Falle einer Eröffnung des Hauptverfahrens ist nicht mit einer Verurteilung zu rechnen. Anstatt zu benennen, zu welchen konkreten Taten die Angeklagte nun Beihilfe geleistet haben soll, verlegt sich die Staatsanwaltschaft größtenteils auf allgemeine Ausführungen und Darstellungen des Offertenmodells. Gerade hinsichtlich der Pflichten des Rechtsanwalts zur Interessenvertretung seiner Mandanten wäre aber unerlässlich, konkret darzulegen, zu welchen angeblichen Betrugstaten und wodurch die Mandantin Hilfe geleistet haben soll. Dies wird unserer Auffassung nach auch in einer Hauptverhandlung nicht gelingen.

In einem steuerstrafrechtlichen Verfahren bereitet Wehn eine Besprechung mit der Steuerfahndung vor. Ziel ist die Einstellung des Verfahrens, da kein Besteuerungstatbestand und keine Steuerstraftat vorliegt. Die Steuerfahndung stützt ihre Vorwürfe darauf, dass der Mandant ungeklärte Bargelder im mittleren sechsstelligen Bereich besessen hat. Nur wird gefolgert, dass steuerpflichtige Einnahmen in dieser Höhe erzielt worden sind. Weitere Anhaltspunkte, aus welcher vermeintlich steuerpflichtigen Quelle diese Gelder gekommen sein sollen, lassen sich der Ermittlungsakte nicht entnehmen. Auch eine Durchsuchung ergab keine weiteren Hinweise. Das liegt daran, dass es solche Einnahmen schlicht nicht gegeben hat. Eigentlich muss der Steuerpflichtige keine Angaben dazu machen, woher das Bargeld stammt. Im Interesse einer kurzfristigen Erledigung des Steuerstrafverfahrens wird Wehn der Steuerfahndung die Hintergründe allerdings darlegen. Die Tatsache, dass manche Steuerpflichtige zeitweise Bargeld horten, mag als ungewöhnlich angesehen werden, ist aber weder steuerlich noch strafrechtlich relevant. Im vorliegenden Fall hatte der Mandant schlicht seit den achtziger Jahren immer wieder im größeren Umfang Bargeld gespart. Der Bundesfinanzhof hatte dazu bereits vor Jahren klargestellt, dass ein Steuerpflichtiger für seine privaten Sparkonten weder eine Buchführung einrichten noch  Nachweise über die Herkunft der Gelder erbringen muss. Solange also sich keine weiteren Hinweise auf steuerpflichtige Einnahmen ergeben, fehlt einem Strafverfahren jegliche Grundlage.

Bezüglich der im vergangenen Monat erwähnten Vertretung eines Elektronikhandels gibt es einen Erfolg zu verbuchen.  Ein Großteil der von dem ehemaligen Mitarbeiter erbeuteten Geräte war noch nicht weiterverkauft worden und konnte nach unserer Strafanzeige durch polizeiliche Sicherstellung wiederbeschafft werden. Damit hält sich der wirtschaftliche Schaden des Mandanten erfreulicherweise in Grenzen.

Beginn einer umfangreichen Hauptverhandlung und eine Auseinandersetzung mit dem Innenministerium über einen V-Mann

 

Für Possemeyer fängt im Juni in Hessen die Hauptverhandlung vor einer Wirtschaftsstrafkammer in einem Großverfahren an. Insgesamt sind 6 Personen – alle momentan inhaftiert – angeklagt wegen Steuerhinterziehung, Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen jeweils mit Schäden im Millionenbereich sowie strafrechtlichen Verstößen gegen das Ausländergesetz. Die Anklage umfasst weit über 100 Seiten, die Hauptverhandlung wird sicherlich bis Ende des Jahres dauern. Neben Vernehmungen von Angeklagten, Zeugen und Sachverständigen sind unzählige Urkunden einzuführen bzw. zu verlesen. Eine weitere Schwierigkeit stellt dar, dass keiner der Angeklagten der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, so dass jedes Wort in der Hauptverhandlung von Dolmetschern übersetzt werden muss. Aufgrund des Umfangs des Verfahrens hat jeder Angeklagte zwei Verteidiger. Ein Verteidiger ist allein zeitlich kaum in der Lage, die verschiedenen Beweismittelordner und weiteren Unterlagen sowie den sonstigen Verfahrensstoff jeweils präsent  zu erfassen.

Ferner verteidigt Possemeyer bei einem Landgericht im Ruhrgebiet in einem Schwurgerichtsverfahren wegen Mordes, in dem aktuell vor dem Oberverwaltungsgericht Münster eine Beschwerde gegen eine ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf eingereicht wurde. In dem Verfahren ist Antragsgegnerin das Ministerium für Inneres in NRW, welches sich standhaft weigert, eine Sperrerklärung aufzuheben und einen wichtigen Zeugen (V-Mann) namentlich zu benennen.

Die Sperrerklärung findet ihre rechtliche Grundlage in einer entsprechenden Anwendung von § 96 Satz 1 Strafprozessordnung. Danach darf die Vorlage von Akten oder anderen in amtlichen Verwahrung befindlichen Schriftstücken nicht gefordert werden, wenn die oberste Dienstbehörde erklärt, dass das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde.

Die der obersten Dienstbehörde obliegende Beurteilung, ob die begehrte Aktenvorlage bzw. Auskunft dem wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde, verlangt eine Prognose, die leider gerichtlich nur begrenzt überprüft werden kann. Die gerichtliche Kontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob Gründe geltend gemacht und im Rahmen des Möglichen belegt sind, die die Feststellungen zulassen, dass die Ablehnung der Preisgabe der Identität des Zeugen aus einem in § 96 StPO aufgeführten Hinderungsgrund unumgänglich ist. Dabei muss die zuständige Stelle ihre Wertung der Tatsachen als geheimhaltungspflichtig im gerichtlichen Verfahren so einleuchtend darlegen, dass das Gericht diese Wertung unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Belange noch als triftig anerkennen kann.

Klingt alles rechtsstaatlich geordnet, ist in Wahrheit für die Fairnessgarantien des Strafprozesses zugunsten eines mit Unschuldsvermutung ausgestatteten Bürgers als Angeklagten hoch problematisch: Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage auch aufgrund der Aussage eines Zeugen, dessen Personalien vor der Verteidigung und dem Angeklagten verborgen gehalten werden. Den man als Verfahrensbeteiligter nicht persönlich kennen lernen soll. Der von dem Richter oder der Richterin nach dem Willen der Polizeibehörde nicht vernommen werden soll. Stattdessen kommt ein anderer Polizeibeamter, der –   interessengeleitet – über die angebliche Zuverlässigkeit des V-Mannes aussagt, diese im Regelfall in Bausch und Bogen bestätigt. Kritische Fragen können an den V-Mann als Zeugen selbst nicht gestellt werden. Stattdessen werden schriftliche Aussagen und Vermerke verlesen. Der wichtige Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme in einer strafrechtlichen Hauptverhandlung wird dabei über Bord geworfen – und man wundert sich als Strafverteidiger, wieso in einem Wirtschaftsstrafverfahren, wie es unzählige andere tagtäglich in Deutschland gibt, durch die persönliche, und damit für alle Gerichtsbeteiligten überprüfbare Aussage eines windigen V-Mannes ein schwerer Nachteil für die Bundesrepublik Deutschland entstehen können soll. Eine absurde Betrachtungsweise, kein einziges Strafverfahren konnte je bei seiner Durchführung einen schweren Nachteil für die Bundesrepublik Deutschland begründen. Argumentiert wird damit jedoch immer wieder gewissenhaft neu, zulasten vollständiger Sachaufklärung. Dagegen haben Strafverteidiger zu opponieren, notfalls eben auch vor den Verwaltungsgerichten. Aber es gibt Lichtblicke: Viele Richter setzen sich auch ohne Anregung der Verteidigung nachdrücklich für das persönliche Erscheinen von V-Leuten und ihre direkte Vernehmung ein, zuweilen verkleidet, manchmal per Videoschaltung. Auch das schränkt die Beweisermittlung ein, ermöglicht aber wenigstens kritische Rückfragen und zumindest einen teilweisen, unmittelbaren und persönlichen Eindruck von Zeugen.

Verteidigung in einer Steuerstrafsache mit schwierigem familiärem Hintergrund, Auseinandersetzung mit einem Finanzamt und eine Haftprüfung

 

Westermann verteidigt vor einem Schöffengericht in Norddeutschland eine Mandantin gegen den Vorwurf der Steuerhinterziehung in Mittäterschaft. Als Schwester des Mitangeklagten soll sie als eingetragene Geschäftsführerin eines Lebensmittel-Großhandels gewusst und gebilligt haben, dass ihr Bruder mit anderen Händlern Vereinbarungen über die Ausstellung von Scheinrechnungen trifft, um Betriebsausgaben zu fingieren und nicht entstandene Vorsteuer geltend zu machen. Der Steuerschaden belief sich auf einen knapp siebenstelligen Bereich. Im Rahmen der Hauptverhandlung wird jedoch klar werden, dass sie weder das nötige Wissen, noch den nötigen Einfluss gehabt hat, um diese Taten zu verhindern. Ein Vorsatz scheint ausgeschlossen. Auch der Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung als bloße Ordnungswidrigkeit scheitert  daran, dass aufgrund der familiären Dynamik und des kulturellen Hintergrundes – beide Angeklagte stammen aus einem Kulturkreis, in dem Frauen fast nie Führungspositionen einnehmen – der Mandantin bei Licht betrachtet in diesem Fall keine mangelnde Sorgfalt vorgeworfen werden kann. Darum ist es erfahrungsgemäß entscheidend, die persönlichen Fähigkeiten dem Gericht darzulegen. Es wäre hier richtig, die Angeklagte freizusprechen oder das Verfahren durch Beschluss ohne Sanktionen einzustellen.

In einem Verfahren vor dem Finanzgericht muss sich Westermann mit einer Fristenproblematik auseinandersetzen. Die vor unserer Mandatierung eingereichte Klage droht ansonsten bereits zu scheitern, bevor sich das Finanzgericht mit den Argumenten gegen die existenzbedrohenden Schätzungsbescheide befasst. Der Mandantin, einer GmbH, waren im Rahmen eines Einspruchsverfahrens vor dem Finanzamt Einspruchsentscheidungen durch einen Postzustelldienst übersandt worden. Nach Erhalt notierten die Mitarbeiter die entsprechende Klagefrist und die Verantwortlichen der GmbH erhoben rechtzeitig innerhalb eines Monats Klage. Das beklagte Finanzamt behauptet nun, dass diese Klagen um zwei Tage verfristet seien. Es gelte die sogenannte 3-Tages-Fiktion. Dabei gilt eine mit einfachem Brief durch die Post oder einen Zustelldienst übermittelte Entscheidung am dritten Tag nach der Aufgabe als zugestellt. Dies gilt unabhängig vom tatsächlichen Zugang – es sei denn der Zugang erfolgt wie hier später. Streitig ist nun, wer für den späteren Zugang die Beweislast trägt. Nach Ansicht des Finanzamtes reichen der Datums-Eingangsstempel und die eidesstattlichen Versicherungen der Mitarbeiter nicht aus. Gegen diese Ansicht muss konsequent argumentiert werden. Die Finanzbehörde hat hier die vergleichsweise unsichere Zustellung durch einfachen Brief (statt z.B. Postzustellungsurkunde) gewählt. Verzögerungen von nur wenigen Tagen (hier Zugang am fünften Tag nach Aufgabe) können nicht dazu führen, dass dem Empfänger die Beweislast für einen abweichenden Zeitpunkt auferlegt wird. Wir wissen hier den Bundesfinanzhof mit seiner Rechtsprechung dazu auf unserer Seite.

In einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung stellt Westermann einen Haftprüfungsantrag. Ziel ist die Aufhebung oder zumindest Außervollzugsetzung des Haftbefehls. Dem Mandanten wird Hinterziehung von Einkommensteuer über einen Zeitraum von mehreren Jahren vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft begründet die Fluchtgefahr mit der Höhe hinterzogenen Steuern und Kontakten nach Osteuropa. Die Staatsanwaltschaft -und leider auch der Amtsrichter, der über die Verhängung der Untersuchungshaft zu entscheiden hatte- ignorieren dabei wichtige Aspekte des Sachverhalts. Der behauptete Haftgrund liegt schlicht nicht vor. Der Mandant hatte bezüglich der angeblich hinterzogenen Steuern bereits Selbstanzeige erstattet und die Rückstände ausgeglichen, schon aus diesen Gründen ist der Haftbefehl unverhältnismäßig – auch wenn die Finanzverwaltung die Selbstanzeige wegen angeblicher Tatentdeckung zu Unrecht als Fehlschlag ansieht. Es liegt auch insbesondere keine Fluchtgefahr vor: Wer Selbstanzeige erstattet und Steuern bezahlt, will sich dem Verfahren stellen und nicht davor weglaufen. Im Übrigen befindet sich die gesamte Familie des Mandanten in Deutschland. Dies muss gegenüber dem Amtsgericht herausgearbeitet werden, zunächst schriftlich und falls nötig in einem Termin.

Was wir in den Vormonaten gemacht haben, können Sie im Archiv nachlesen