Steuerstrafrechtliche Verteidigung eines Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers, strafrechtlicher Flankenschutz in einem Wirtschaftskrieg, Vorbereitung einer Hauptverhandlung vor der Wirtschaftsstrafkammer                                                                                                                                                                                                                                                                                                           

Irrtum oder Beihilfe?

Minoggio hat in einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren in Norddeutschland einen selbst beschuldigten Wirtschaftsprüfer und Steuerberater zu verteidigen gegen den Vorwurf, bewusst für seinen Mandanten an einer unrichtigen Deklaration eines Sachverhaltes gegenüber dem Finanzamt mitgearbeitet zu haben, der bei vollständiger und richtiger Beurteilung eine erheblich höhere Steuerlast verursacht hätte.

Hier stellt sich die Frage: Liegt ein für den Berater unverschuldeter Informationsirrtum durch bewusste oder unbewusste Fehlinformation des Mandanten, eine irrtümlich fehlerhafte steuerrechtliche Bewertung des Beraters oder tatsächlich das bewusste Mitwirken an einer Steuerstraftat vor, um dem Mandanten kriminell einen rechtswidrigen Steuervorteil zukommen zu lassen?

Was man weiß, bevor man das konkrete Handeln des Beraters überprüft: Der betroffene Wirtschaftsprüfer und Steuerberater übt seinen Beruf seit mehr als 30 Jahren aus. Nie hatte er sich etwas zuschulden kommen lassen, nie hatte die besondere Berufsaufsicht der Steuerberater oder der Wirtschaftsprüfer Veranlassung, seine Berufstätigkeit zu beanstanden. Nie hat es auch nur strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegeben, geschweige denn eine Verurteilung. Der Berater ist vom betroffenen Mandanten wirtschaftlich völlig unabhängig. Hinweise auf eine besondere Nähe gibt es keine. Dem Mandanten in Rechnung gestellt wurden ausschließlich gesetzlich festgelegte Vergütungen.  Für Sondervorteile oder gar geplant gewesene Beteiligungen an einer zweifelhaften Steuerersparnis gibt es keinen Hinweis.

Dann fragt man sich als erstes unter Berücksichtigung von gesundem Menschen- und gesundem Juristenverstand: Was für ein Interesse sollte der Berater daran haben, seine Unbescholtenheit, seinen Ruf und seine Berufsexistenz fremdnützig nur zugunsten eines Mandanten vorsätzlich durch Beteiligung an einer Steuerstraftat aufs Spiel zu setzen? Die Frage ist berechtigt und die Antwort schnell gegeben, auch anhand der obergerichtlichen Rechtsprechung zu den Feststellungen eines Vorsatzes bei sogenannten berufstypischen Handlungen: Eine Strafbarkeit kommt nur in Betracht, wenn aufgrund von konkreten Tatsachen nachgewiesen werden kann, dass der Berater von einer geplanten Unredlichkeit seines Mandanten wusste oder dieses Risiko für ihn erkennbar so außergewöhnlich hoch war, dass er die Berufstätigkeit hätte versagen müssen.

Diese Grundsätze sind klar und nachvollziehbar. Sie werden oftmals, aber bei Leibe nicht immer von den Strafverfolgungsbehörden angewendet. Geht es um einen hohen Betrag an Mehrsteuern, wird beispielsweise zuweilen verfehlt von der Nachzahlungshöhe auf einen Beteiligungsvorsatz geschlossen. Manchmal wird auch ohne näheren Anhaltspunkte unterstellt, dass der unter Verdacht geratene Berater alles wusste, was an Wissen in seiner möglicherweise aus 20 Steuerberatern und 40 Angestellten bestehenden Beratungskanzlei vorhanden gewesen ist. Vernachlässigt wird zuweilen auch, dass der Mandant üblicherweise seinen Steuerberater sicher im Normalfall nicht einweiht, bevor er dem Finanzamt unrichtige Umsatzzahlen oder steuerlich relevante Verhältnisse falsch darstellt.

In derartigen Verfahren gilt es, von Anfang an offensiv zu verteidigen und zu verhindern, dass roboterhaft aus der Verletzung eines Einzelsteuergesetzes auf einen Vorsatz geschlossen werden soll. Generell in der Praxis des Steuerstrafrechts ist festzustellen: Der besondere Vorsatz (für die Spezialisten: Steueranspruchstheorie!) wird in sehr vielen Fällen viel zu wenig geprüft, bevor der Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung begründet wird und in aller Regel zu erheblichen Grundrechtseinschränkungen führt. Durchsuchungen belasten massiv, bei der Privatwohnung das persönliche Sicherheitsgefühl, in der Steuerberatungskanzlei durch Diskriminierung, bei Banken ganz besonders. Die Berufsfreiheit ist sofort gefährdet. Das Vertrauensverhältnis zum Mandanten wird massiv angegriffen. Das alles sollte bei einem bislang Jahrzehnte unbescholtenen und sozial anerkannt arbeitenden Berufsberater äußerst genau überlegt werden, bevor derartige Maßnahmen ergriffen werden. Wird es aber oft nicht.

Flankenschutz im Wirtschaftskrieg

Ferner hat Minoggio in einem umfassenden Wirtschaftskrieg von zwei Konkurrenzunternehmen strafrechtlichen Flankenschutz zu leisten. Nach Einschätzung der Mandantin scheut die Gegenseite nicht, in einem bedeutungsvollen Zivilverfahren um Lizenzrechte bewusst falsch zu mündlichen Vertragsverhandlungen vorzutragen und im Nachhinein präparierte Vermerke und ebenso präparierte Zeugen zu präsentieren.

Hier wird unser Augenmerk darauf liegen, in enger Zusammenarbeit mit den im Zivilverfahren federführenden Kollegen aus einer anderen Kanzlei die Zeugenbefragungen akribisch vorzubereiten. Nur in schlechteren Fernsehfilmen stellt der Anwalt vor Gericht gekonnt zwei Fangfragen und der Zeuge widerruft unter der Last der anwaltlichen Rhetorik seine bisherigen Falschangaben. In der Praxis stellen Zeugen, die bewusst die Unwahrheit auszusagen bereit sind, für die redliche Prozesspartei (und natürlich für das Gericht) gefährliche Gegner dar.

Die Vorbereitung derartiger Zeugenvernehmungen kann nicht sorgfältig und detailreich genug ausfallen. Zuweilen muss mit Wirtschaftsermittlern zusammengearbeitet werden. Die Qualität von Zeugenbefragungen fällt höchst unterschiedlich aus. Juristen werden hierzu in ihrer Ausbildung nicht nur nicht genügend geschult, sie werden das überhaupt nicht (seltene „nicht examensrelevante“ Zusatzausbildungen ausgenommen).

Als Praktiker tut man in gewichtigen Fällen gut daran, sich Anleihen aus den Tätigkeiten unserer Berufskollegen aus angloamerikanischen Rechtsordnungen zu holen. Nur so erhöht man die Chance signifikant, falschen Vortrag eines zu unredlichen Mitteln greifenden Prozessgegners richtig kontern oder etwa falsch aussagende Zeugen entlarven zu können.

Vorbereitung einer Hauptverhandlung

Schließlich steht im Juli noch übliche Tagesarbeit an. Eine Verhandlung vor der Wirtschaftsstrafkammer in Hessen betreffend den Vorwurf von Steuerhinterziehungstaten muss mit dem Mandanten vorbereitet werden. Auch hier gilt: Gut ist Anwaltsarbeit oftmals, wenn man sie selbst nicht, sondern nur ihr Ergebnis sieht- etwa in Gestalt eines Angeklagten, der das Bild eines vielleicht wirtschaftlich gescheiterten, aber bis zuletzt redlich handelnden Unternehmers abgibt und zu seiner unternehmerischen Verantwortung  – die selbst bei fehlerhaft gewesenem Handeln keinesfalls gleichbedeutend sein muss mit der Verübung von Straftaten –  weiterhin steht.

Kassensysteme in der Gastronomie trotz Corona-Krise weiter im Fokus der Betriebsprüfung, Abrechnungsbetrugsverdacht bei Arztleistungen, Insolvenzverschleppung trotz Aussetzung der Antragspflicht nach dem COVInsAG                                                                                                                                                                                                                    

Dauerbrenner „Kassensysteme und Schätzung“

Bargeldintensive Betriebe wie die Gastronomie stehen seit Jahren im Fokus der Betriebsprüfung. Hieran hat auch die Corona-Krise nichts geändert. Betriebsprüfer sind wieder im Außendienst. Für eine Überprüfung des im Restaurant oder Hotelbetrieb eingesetzten Kassensystems muss das Finanzamt sich nicht anmelden. Die so genannte Kassennachschau kann spontan zu den üblichen Öffnungszeiten durchgeführt werden. Tauchen Mängel auf, wird im Anschluss eine Betriebsprüfung durchgeführt. So auch in einem Fall bei einem italienischen Restaurant im Münsterland, der Bischoff im Juli 2020 beschäftigen wird.

Bei der Kassennachschau fiel insbesondere auf, dass Umsätze von einzelnen Tischen über einen so genannten Trainingskellnerschlüssel nicht als Einnahmen erfasst waren. Sämtliche Kassendaten wurden ausgelesen, ein ungewöhnlich hoher Stornierungsumfang konnte festgestellt werden. Zudem fehlten zahlreiche Tagesendsummenbons. Die Betriebsprüfung plant deshalb, die Buchführung als nicht ordnungsgemäß zu verwerfen und zusätzliche Einnahmen hinzuzuschätzen. Die Voraussetzungen für eine Schätzung liegen unzweifelhaft vor.

Der bisherige Vorschlag der Betriebsprüfung geht aber weit über eine angemessene Schätzung hinaus. Von zentraler Wichtigkeit wird es deshalb sein, gemeinsam mit dem Steuerpflichtigen und seinem Berater ein realistisches Zahlenwerk für eine Hinzuschätzung zu entwickeln. Denn auch eine Schätzung der Finanzbehörde muss immer plausibel und wirtschaftlich möglich bleiben. So dürfen nicht Umsätze geschätzt werden, die sich mit der Anzahl der vorhandenen Tische und einer durchschnittlichen Auslastung des Restaurants nicht erreichen lassen. Umso anschaulicher die Argumentation ist, umso größer sind die Erfolgsaussichten, dass das Finanzamt sich hierauf inhaltlich einlässt und eine Einigung gefunden werden kann.  „Strafschätzungen“ oder gar eine „Wutschätzung“ (der Begriff ist einem Urteil des Bundesfinanzhofes entnommen!) darf es schon gar nicht geben.

Abrechnung von Scheinleistungen bei Ärzten

Bischoff beschäftigt sich darüber hinaus im Juli 2020 mit dem Arztstrafrecht. Ein Hausarzt hatte verschiedene Untersuchungen und Behandlungen seiner Patienten abgerechnet, obwohl er sie tatsächlich gar nicht geleistet hatte. Hierdurch ist den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung nach deren Berechnung ein Schaden im sechsstelligen Bereich entstanden. Ein ernstzunehmendes Strafverfahren ist eingeleitet. Ein ebenso gewichtiges berufsrechtliches Verfahren wird folgen.

Zunächst geht es in den folgenden Wochen darum, die Berechnungsgrundlagen der Leistungsträger aus dem Gesundheitssystem zu überprüfen. Der Schaden wird sich deutlich relativieren, da teilweise Leistungen zwar erbracht, aber nicht im erforderlichen Umfang und auf den ersten Blick nachvollziehbar dokumentiert sind. Danach wird es darum gehen, eine Vereinbarung über eine Schadenswiedergutmachung zu treffen, die als gesetzlicher Täter-Opfer-Ausgleich angesehen werden kann. Diese Vereinbarung und eine Rückzahlung der festgestellten Summe werden die Position im Strafverfahren sehr deutlich  verbessern.

Für das berufsrechtliche Verfahren wird sich diese Arbeit ebenfalls auszahlen. Von Verhandlungsbeginn an müssen die Weichen für die Lösung des gesamten sozialen Konfliktes gestellt werden.

Trotz Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in der Corona-Krise droht Strafbarkeitsrisiko

Der von der Corona-Krise betroffene Unternehmer hat zunächst aufgeatmet, als das CovInsAG in Kraft trat. Die Insolvenzantragspflicht für juristische Personen ist seither bis zum 30.9.2020 ausgesetzt. Übersehen wird dabei leider, dass diese Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht voraussetzungslos greift. Die Insolvenzreife muss auf der Pandemie beruhen und es darf auch nicht ausweglos sein, die Zahlungsunfähigkeit wieder zu beseitigen. Ein bereits vor der Krise insolventes Unternehmen kann sich deshalb nicht auf den Schutzschirm dieses Gesetzes verlassen.

Eine solche Konstellation ist bereits einem mittelständischen Unternehmer aus dem Münsterland zum Verhängnis geworden. Er hatte trotz Zahlungsunfähigkeit bereits zum 31.12.2019 keinen Insolvenzantrag gestellt und der nach Fremdantrag bestellte Insolvenzgutachter hat für die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Insolvenzverschleppung gesorgt. Auch die klassischen Begleitdelikte wie Verletzung der Buchführungspflichten, Bankrott, Sozialversicherungsbetrug können trotz ausgesetzter Antragspflicht verwirklicht werden. I

m laufenden Ermittlungsverfahren wird es jetzt darum gehen, mit den Sozialversicherungsträgern Einigungen über Rückzahlungen zu treffen, die Buchführung aufzuarbeiten und so die Position des Beschuldigten zu verbessern. Im Optimalfall wird es gelingen, das Verfahren eingestellt zu bekommen. Eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung muss schon deshalb vermieden werden, damit der Mandant nicht für die nächsten fünf Jahre als Geschäftsführer gesperrt ist. Dies schreibt das GmbH-Gesetz nämlich zwingend vor.

Veröffentlichungen im Juli

Bevor in den nächsten Wochen die großen Veröffentlichungsprojekte beginnen schreibt Bischoff im Juli noch einen Beitrag zu den Strafbarkeitsrisiken im Zusammenhang mit der Corona-Krise für den Kammer-Report der Rechtsanwaltskammer Hamm.

Mit diesem Thema hatte sie sich in den letzten Wochen bereits intensiv als Referentin in Webinaren und mit Veröffentlichungen für den Steuerberaterverband Westfalen-Lippe beschäftigt. Darüber hinaus müssen wieder Urteile aus dem Wirtschafts- und Steuerstrafrecht für die Verbandszeitschrift Profile des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe aufbereitet werden. Der Fokus liegt hierbei auf den Praxishinweisen, die Verteidigungsstrategien für den Berater aufzeigen sollen.

Endspurt vor dem Jahresurlaub: Beschwerde in einer Haftsache und Verteidigung in einem berufsrechtlichen Verfahren                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 

Hilfe bei unverhältnismäßig langer Untersuchungshaft

In einer Haftsache bereitet Wehn eine Beschwerde vor mit dem Ziel, nach drei Monaten Untersuchungshaft den Haftbefehl gegen den Mandanten aufzuheben oder zumindest außer Vollzug zu setzen. Vorgeworfen wird dem Mandanten eine schwere Körperverletzung, er streitet die Vorwürfe ab. Die Staatsanwaltschaft hatte früh die Einholung eines Sachverständigengutachtens hinsichtlich einer möglichen eingeschränkten Schuldfähigkeit beantragt. Der beauftragte Gutachter hatte dem Gericht jedoch mitgeteilt, dass eine kurzfristige Untersuchung des Mandanten aufgrund hoher Arbeitsbelastung nicht möglich sei. Vielmehr sei mit ca. drei Monaten Wartezeit zu rechnen.

Die Staatsanwaltschaft beharrt im Moment noch darauf, eine Anklage erst nach Fertigstellung des Gutachtens zu fertigen. In einem Haftprüfungstermin ordnete das zuständige Amtsgericht die weitere Haftfortdauer an. Es begründete diese Entscheidung wegen des angeblichen dringenden Tatverdachts, der bestehenden Fluchtgefahr und der Straferwartung von über einem Jahr Freiheitsstrafe. Die Untersuchungshaft erscheint jedoch bereits jetzt unverhältnismäßig. Mit einer Anklage ist erst nach mindestens sechs Monaten Untersuchungshaft zu rechnen. Der Zeitpunkt einer Hauptverhandlung ist noch völlig unklar. Das Gesetz sieht aber nur in Ausnahmefällen eine Untersuchungshaft von mehr als sechs Monaten vor.

Wenn bereits frühzeitig Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beginn der Hauptverhandlung  sich hinauszögern wird, kann eine Haftbeschwerde wegen Unverhältnismäßigkeit bereits schon mit diesem Ansatz gut begründet werden. Möglichen Zweifeln des Gerichts kann z.B. durch eine Meldeauflage entgegengetreten werden.

Gefährliche Nebenfolgen, auch bei strafrechtlicher Einstellung

In einem von Wehn betreuten berufsrechtlichen Verfahren zeigt sich einmal mehr, dass die Nebenfolgen einer strafrechtlichen Entscheidung härter treffen können als das Ergebnis des Strafverfahrens selbst. Das Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung des Mandanten – einem Notar – war gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden. Irgendein Schuldeingeständnis war mit der Zustimmung zu dieser Einstellung nicht verbunden. Sie erfolgte, was häufig der Fall ist, um den Mandanten ein langwieriges, kostenintensives Verfahren zu ersparen.

Im Ergebnis bedeutet die Einstellung, dass die zuständige Strafkammer zu dem Ergebnis gekommen ist, dass selbst erwiesener  Schuld eine Geldauflage ausreicht, um ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Dennoch hatte die zuständige Notarkammer ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. In diesem Zusammenhang muss nunmehr dargelegt werden, warum jegliche berufsrechtliche Ahndung zusätzlich falsch wäre. Zu der nicht bewiesenen – und im Rahmen eines berufsrechtlichen Verfahrens ohne unverhältnismäßigen Aufwand auch nicht zu beweisenden- Schuld des Mandanten kommt hinzu, dass der angebliche Verstoß nicht weniger als 15 Jahre zurückliegt. Etwas zuschulden kommen lassen hat sich der Mandant in der Zwischenzeit nicht. Er hat vielmehr seinen Beruf gewissenhaft ausgeübt. Das macht jetzt in 2020 die berufsrechtliche Ahndung eines Vorfalls aus 2005 reichlich überflüssig.

Zeugenbeistand in einem Korruptionsverfahren

Im Juli wird Wehn außerdem als Zeugenbeistand tätig für eine ehemalige Verwaltungsmitarbeiterin einer niedersächsischen Gemeinde. Im Rahmen eines Korruptionsverfahrens gegen Gemeinderatsmitglieder soll sie Angaben zu ihren Kenntnissen über die Vergabe öffentlicher Aufträge machen. Hier ist genaue Vorbereitung gefragt, sowohl durch Recherche der öffentlich zugänglichen Informationen, als auch durch genaue Befragung der Mandantin.

Gerade in zunächst undurchsichtigen Korruptionsfällen mit unklarer Verteilung von Verantwortlichkeiten kann der Übergang zwischen Zeugen- und Beschuldigteneigenschaft für die Ermittlungsbehörden fließend sein. Nicht selten wird der Zeuge aufgrund eigener Aussagepflicht zum Beschuldigten. Nach genauer Vorbereitung kann aber das Risiko eingeschätzt und können böse Überraschungen bei der Vernehmung vermieden werden.

In der zweiten Julihälfte steht für Wehn Jahresurlaub an, den er –coronabedingt- in Deutschland verbringen wird.

Verschiedene Fälle der Kriminalität mit ganz unterschiedlichen Verteidigungsansätzen

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             

Folgen eines eskalierten Streits 

Possemeyer verteidigt einen Mandanten nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung.  Alles begann mit einem verbalen Streit mit einem Bekannten. In dessen Verlauf holte dieser eine Machete hervor und griff damit den Mandanten an. Dieser wollte weglaufen. Freunde des Mandanten hatten den Streit mitbekommen und ihm plötzlich eine Schusswaffe in die Hand gedrückt.

Jetzt eskalierte der Vorfall völlig. Nachdem der Mandant mehrfach in die Luft geschossen hatte, warf der Kontrahent sein Messer weg. Daraufhin soll er verprügelt worden sein. Einzelheiten sind völlig unklar und müssen in einer Gerichtsverhandlung geklärt werden. Jedenfalls könnte sich der Mandant wegen Körperverletzung, Verstoß gegen das Waffengesetz und  Bedrohung strafbar gemacht haben. Besonders der Verstoß gegen das Waffengesetz wiegt schwer, wenn in der Öffentlichkeit mit einer „scharfen“ Waffe geschossen wird und unbeteiligte Passanten gefährdet werden können. Deshalb ist ein Haftbefehl ergangen und Untersuchungshaft angeordnet worden. Oberstes Ziel der Verteidigung ist aktuell, eine Haftverschonung zu erreichen.

Stichwort Polizistentrick

In einem anderen Fall geht es um den sogenannten Polizistentrick. In der Regel arbeiten dabei zwei bis drei Personen zusammen. Sie rufen ältere Menschen an und geben sich als Polizisten aus. In den Telefonaten behaupten sie dann wahrheitswidrig, dass  ein Wohnungsdiebstahl unmittelbar in dem Haus bevorsteht. Die Bewohner sollen besser sämtliche Wertgegenstände zusammensuchen  und in die Obhut der Polizei geben.

Manchmal glauben die Bewohner das und überreichen dann die Wertsachen den vermeintlichen Polizisten ohne weitere Kontrolle oder Überprüfung. Drei solcher Fälle sollen im Ruhrgebiet  stattgefunden haben. Der Mandant bestreitet seine Tatbeteiligung. Es gibt momentan keine Beweise, nur zweifelhafte Indizien für seine Beteiligung. Der genaue Ablauf wird erst in einer Hauptverhandlung zu klären sein.

Hauptverhandlung im Betäubungsmittelstrafrecht

Im Juli findet eine weitere Hauptverhandlung wegen Handels mit Betäubungsmitteln statt. In dem Verfahren wirft die Staatsanwaltschaft dem Mandanten vor, eine beachtliche Marihuana-Plantage im Keller betrieben zu haben. Neben Platz und entsprechender Ausrüstung wie Lampen und Belüftung, müssen die Pflanzen dabei regelmäßig mit Wasser und Dünger versorgt werden. Aufgefallen ist der Betrieb, weil die Stromrechnung aufgrund der großen Lampen unverhältnismäßig hoch war und der Stromverbrauch nicht mit einem Zweipersonenhaushalt in Einklang zu bringen war. Dennoch ist sich Possemeyer nach Einarbeitung sicher, dass der bislang unbescholtene Mandant mit einem blauen Auge davon kommen und nicht zu einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe verurteilt werden wird.

Weichenstellungen in zwei Ermittlungsverfahren und Hilfe gegen unberechtigte Vorwürfe im Vollzug                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  

Formaler vs. Faktischer Geschäftsführer

In einem Strafverfahren wegen Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen bereitet Westermann eine umfangreiche Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft vor. Das ermittelnde Hauptzollamt hatte in einem fast 100-seitigen Schlussbericht dargelegt, warum der Mandant als lediglich formaler Geschäftsführer eine Firma für Pflasterarbeiten strafrechtlich dafür verantwortlich sein soll, dass Arbeitnehmer überhaupt nicht oder zumindest nicht korrekt angemeldet waren. Bereits an dieser Stelle muss der Anwalt die Gelegenheit nutzen, den weiteren Verlauf des Strafverfahrens durch eine eigene Stellungnahme zu lenken. Die rein formelle Stellung als Geschäftsführer der Firma sagt nämlich über eine Strafbarkeit isoliert nichts aus.

Eine objektive Darstellung des täglichen Geschäftsablaufes, gestützt durch zahlreiche Zeugenaussagen, weckt vielmehr Zweifel am Vorsatz des Mandanten: Umfangreiche und zeitintensive eigene Arbeit auf Baustellen, kaum Deutschkenntnisse, keinerlei geschäftliche Erfahrungen (im Vergleich zu dem mitbeschuldigten sogenannten faktischen Geschäftsführer). Selbst wenn Ermittlungsbehörden und später das Gericht  von einer grundsätzlichen Strafbarkeit des Mandanten ausgehen sollten, haben diese Punkte doch entscheidende Bedeutung für die Bewertung der individuellen Schuld und damit das Strafmaß.

Das frühe Aufbereiten dieser Tatsachen erspart regelmäßig in der Hauptverhandlung Arbeit, wenn Staatsanwaltschaft und Gericht bereits vor Beginn eine realistische Vorstellung des geringen Tatbeitrages des Mandanten entwickeln können.

Hilfe im Strafvollzug

In einem seltenen Ausflug in das Strafvollstreckungsrecht kämpft Westermannn  gegen  ungerechtfertigte Sanktionen einer Justizvollzugsanstalt gegen seine Mandantin. Für diese unerklärlich hatten Kontrollen Hinweise auf Drogenkonsum ergeben. Die JVA strich daraufhin Ausgänge. Durch tadelloses Verhalten bereits erreichte Vollzugslockerungen wurden aufgehoben. Für die Mandantin und ihre Familie eine Katastrophe.

Eine daraufhin in Auftrag gegebene Haaranalyse bewies jedoch ohne vernünftigen Zweifel ihre Abstinenz, was rätselhafterweise aber keine automatische Aufhebung der Sanktionen zur Folge hatte. Deshalb muss gegenüber der Justizvollzugsanstalt klargestellt –und wenn nötig gerichtlich durchgesetzt werden- dass eine Aufhebung der falschen Ergebnisse und die völlige Rehabilitation veranlasst ist. Ansonsten wird dieser dunkle Fleck in der Akte jegliche weitere Lockerung und im schlimmsten Fall eine vorzeitige Entlassung aus der Haft erschweren oder gar unmöglich machen. Westermann ist zuversichtlich, der Mandantin, die ihre Drogensucht erkennbar überwunden hat, und ihrer sie stützenden Familie effektiv helfen zu können.

Folgen einer unrichtigen Diagnose

Eine weitere Stellungnahme erstellt Westermann in einem Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen einen Zahnarzt aus Ostwestfalen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mandanten eine Fehldiagnose und darauf basierend unnötige Eingriffe vor – unberechtigt. Selbst wenn der von der Staatsanwaltschaft beauftragte Gutachter zu dem Schluss kommen sollte, dass eine Fehldiagnose vorliegt –und das steht keinesfalls fest- folgt daraus nicht zwingend ein rechtliches Fehlverhalten.

Im ärztlichen Alltag kommt es leider zu unrichtigen Diagnosen aus den unterschiedlichsten Gründen. Nur solche Fälle sind auch strafrechtlich relevant, in denen der Arzt ein eindeutiges Krankheitsbild in völlig unvertretbarer Weise deutet. Ärzte sind auch nur Menschen. Eine Binsenweisheit, aber deshalb nicht falsch. Nicht alle Rechtsordnungen verfolgen im Übrigen auch einfache Fehler im Beruf strafrechtlich wie bei uns. Es wäre sehr überlegenswert, unser System dem anzugleichen.