Was machen wir im Februar

Minoggio in einem Ermittlungsverfahren wegen Missbrauchsverdacht, daneben Compliance- und Tagesarbeit

Ein Missbrauchsverdacht wird in einem international aufgestellten Konzern geäußert, klassisch von der Assistentin zulasten eines Abteilungsleiters, dem sie zugearbeitet hatte. Sind die Vorwürfe berechtigt, liegt eine Sexualstraftat im Bereich eines nicht so gewichtigen Tatbestandes der Sexualstraftaten im Strafgesetzbuch vor. Sind sie unberechtigt, kann man von Verleumdung, der falschen Anschuldigung und sogar einer Erpressung ausgehen, die Zeugin stellt sich ein freiwilliges Verlassen des Konzerns gegen Abfindung vor. Volkes Stimme hat in derartigen Verfahren ein Urteil schnell gefunden. Für den Betroffenen stellt allein die Erhebung des Vorwurfs eine Katastrophe dar, für die Anzeigende zuweilen ebenfalls. Unabhängig vom Ausgang eines internen Untersuchungsverfahrens oder gar eines staatlichen Strafverfahrens dürfte die Karriere des Beschuldigten im Unternehmen beendet sein. Was macht man als Verteidiger, wie arbeitet man? Ist natürlich von Fall zu Fall unterschiedlich. Zunächst eine Arbeitshypothese: Was kann passiert sein? Stimmt die Darstellung der Anzeigenden oder diejenige des Beschuldigten, oder aber liegt der so genannte, geradezu berühmte dritte Sachverhalt vor (ist nicht selten der Fall)? Man tastet sich heran, versucht in Gesprächen das Vertrauen des Mandanten zu bekommen ganz unabhängig davon, was er getan hat oder was nicht. Versucht, ganzheitlich zu denken und zu beraten in Bezug auf eine Gesamtlösung des Konflikts, Fehlvorstellungen zu korrigieren. Auch dem Unschuldigen ist absolut nicht gedient mit einer Klärung durch Gerichtsverfahren. Eine Rehabilitation findet dort schon von Amts wegen nicht statt.

Die Crux in vielen Fällen: Aussage des einen versus Aussage des anderen, keine objektiven Beweismittel im Übrigen. Jedem objektiv Urteilenden muss die Beurteilung schwer fallen. Hält man die Anschuldigung für gut möglich, fällt außerordentlich schwer zu akzeptieren, dass die Beweislage für förmliche Verfahren nicht ausreicht. Geht man von falscher Anschuldigung aus, kann man verzweifeln, wie nachhaltig bereits eine interne Untersuchung oder ein staatliches Ermittlungsverfahren Schaden stiften für den Beschuldigten, zuweilen ähnlich auch für den Anzeigenden. Staatliche oder nichtstaatliche Untersuchungen können oft die Wahrheit nicht herausfinden, stoßen an ihre Grenzen. Unter erfahrenen Praktikern unumstritten: Die Geburtsstunde der Beschuldigung muss akribisch herausgearbeitet werden, wann und unter welchen Umständen lief sie ab, gäbe es ein Motiv für eine Falschbeschuldigung, gibt es Realkennzeichen für den Wahrheitsgehalt einer Aussage. Also ein Feld für gut in Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung ausgebildete und erfahrene Praktiker. Nicht für Dogmatiker von links oder von rechts, die fürchterlichen Schaden für alle verursachen können. Gewinner gibt es ohnehin fast nie – und in den bei unterstellter Richtigkeit der Beschuldigung objektiv leichteren Fällen kann für Opfer und das Unternehmen  richtig und angemessen sein, keine Untersuchungen oder gar Gerichtsprozesse bis ins letzte zu führen. Unpopulär, vertuschungsverdächtig, aber zuweilen für alle richtig.

Daneben steht die übliche Tagesarbeit an, Tätigkeit in Wirtschaftsstrafverfahren vor der Strafkammer in Hessen nach einer aus unserer Sicht völlig verzichtbaren Anklageerhebung aufgrund eines verschleppten und nicht vollständig sachgemäß geführten Ermittlungsverfahrens – allerdings auch mit der seltenen Erschwerung, dass Anfang des Verfahrens eine Strafanzeigeerstattung durch ein Zeugenkomplott mit massiver Falschbeschuldigung stand, die von den Strafverfolgungsbehörden anfangs nicht als eine solche erkannt werden konnte.

Und schließlich Compliancearbeit, Unternehmen im Gesundheitswesen möchten sich krisenfest aufstellen, etwa durch Alarmpläne bei Untersuchung von staatlichen Strafverfolgungsbehörden oder durch Verbesserung der Compliance, um Risiken präventiv einzugrenzen. Alarmpläne sind einfach – es gibt durchaus handhabbare, auf das jeweils beratene Unternehmen und dessen Risikosituation zugeschnittene Ratschläge, bei staatlichen Untersuchungen das rechtstaatlich Richtige zu tun, dabei die Aufregung für Unternehmen und Mitarbeiter möglichst gering zu halten, aber auch nichts rechtswidrig zu behindern. Compliancerichtlinien sind komplizierter, wenn man das ernst meint und nicht nur vorgeschobene Handbuchseligkeit als Feigenblatt anordnet.

Bischoff in Terminen  bei der Steuerfahndung, eine Beurteilung der Erfolgsaussichten eines möglichen Regresses gegen einen Steuerberater, Verteidigungsarbeit in einem Schenkungsteuerfall in Millionenhöhe sowie mehrtägige Schulungen zum Thema Geldwäscherisiken für eine Großbank

Kurz vor Weihnachten 2019 hat die Steuerfahndung in einem Gastronomiebetrieb in Ost-Westfalen durchsucht. Erste Auswertungen der bei der Durchsuchung gesicherten Kassendaten und bei der Steuerberatung beschlagnahmten Buchführungsunterlagen offenbarten relativ grobe Mängel in der Buchführung. Es spricht Einiges dafür, dass Differenzen zwischen den versteuerten und den tatsächlich eingenommenen Umsätzen existieren, die nicht komplett erklärbar sind. Die Steuerfahndung agiert im vorliegenden Fall eher mit „offenem Visier“ und hat ihre ersten Zwischenergebnisse frühzeitig gegenüber der Verteidigung transparent gemacht. Natürlich möchte die Fahndung durch dieses Vorgehen eine schnelle Lösung erreichen. Sie deshalb aber einfach weiterermitteln zu lassen, birgt das vorliegend nicht zu unterschätzende Risikopotential, dass sich das negative Ergebnis eventuell durch weitere Ermittlungen verfestigen oder verschlimmern könnte. Deshalb führen Steuerberatung und Verteidigung Gespräche. Es sollen Lösungsansätze in Form einer wirtschaftlich plausiblen Zuschätzung gefunden werden, die dem Steuerpflichtigen die Chance erhält, das Restaurant weiter zu führen. Gefragt ist immer eine Paketlösung einschließlich eines möglichen strafrechtlichen Endes. Neben die steuerliche- sogenannte Tatsächliche Verständigung- treten informelle Absprachen, bei vollständig gezahlter Steuer in der Regel in Richtung auf eine Einstellung gegen Geldauflage. Keine Vorstrafe, die Unschuldsvermutung bleibt unangetastet. Erst wenn die Beendigung beider Verfahren als Teil eines Gesamtpaketes geklärt ist, beginnt man mit der endgültigen Umsetzung der steuerlichen Einigung. Verteidigungshandwerk.

In einem weiteren Fall müssen die Erfolgsaussichten eines Regresses gegen den früheren Steuerberater geprüft werden. Der Berater hatte den konkreten Auftrag, durch eine Vertragsgestaltung die Aufdeckung stiller Reserven zu verhindern. Nach dem Ergebnis der Betriebsprüfung wurde dieses Ziel verfehlt. Der Steuerberater vertritt dennoch weiterhin die von ihm in der Beratung eingenommene Rechtsposition. Um eine rechtliche Beurteilung vornehmen zu können, müssen neben der Aufklärung der steuerlichen Verhältnisse zunächst die damaligen Beratungsabläufe sehr genau rekonstruiert werden. Da der Vorgang bereits einige Jahre zurückliegt, müssen Unterlagen gesucht und beschafft werden. Für den Mandanten ist diese Arbeit aufwändig. Nur hierdurch wird aber eine möglichst zuverlässige Beurteilung der damaligen Beratungssituation ermöglicht. Erst auf der Grundlage dieser rechtlichen und tatsächlichen Einschätzung können anschließend die weiteren Schritte abgestimmt werden: Entscheidung über die Fortsetzung des Einspruchsverfahren gegen die geänderten Steuerbescheide, Ankündigung der Inanspruchnahme gegenüber dem Steuerberater sowie Kontaktaufnahme zu seiner Berufshaftpflichtversicherung. Wichtig dabei: Eine ruhige und sachliche Klärung, vermeidbaren Rufschaden auch vermeiden.

In einem Steuerstrafverfahren wegen vorgeworfener Schenkungssteuerhinterziehung im Sauerland muss eine umfassende Stellungnahme vorbereitet werden. Es ist bereits objektiv streitig, ob in der vorliegenden Konstellation überhaupt eine Schenkungssteuerpflicht bestanden hat. Dieses Rechtsproblem muss im Einzelnen aufbereitet werden. Darüber hinaus wird die Verteidigungsposition maßgeblich darauf gestützt, dass der Steuerpflichtige sich bei dieser unklaren Rechtslage auf die nachweislich von ihm eingeholte Einschätzung seines Steuerberaters verlassen durfte. Die Sachkunde des Beraters war für ihn unzweifelhaft, er hatte keinen Anlass zu einer weiteren Überprüfung durch einen Spezialisten. Damit scheidet eine vorsätzliche Steuerverkürzung in jedem Fall aus. Denn der Steuerpflichtige darf sich auf einen Rat seines Beraters verlassen. Schätzt der Berater den Sachverhalt als steuerlich nicht relevant ein, kann der Steuerpflichtige nichts dafür, wenn sich diese Einschätzung im Nachhinein als Irrtum herausstellt. Er kannte den Steueranspruch nicht und hat damit nicht bewusst Steuern hinterzogen.

Im Februar führt Bischoff wie bereits im Vorjahr wieder mehrtägige Schulungen bei einer Großbank in der Finanzmetropole Frankfurt am Main zum Thema Geldwäsche durch. 50 Mitarbeiter aus dem Bereich Anti-Financial-Crime lernen anhand von Fallstudien die typischen Abläufe in Strafverfahren, die klassischen Anwendungsfälle der Geldwäsche sowie den Umgang mit Verdachtsfällen nach der aktuellen Gesetzeslage. Der EU-Gesetzgeber hat in den letzten Jahren die Vorschriften zur Geldwäsche teilweise so schnell angepasst, dass die nach diesem Gesetz Verpflichteten noch mit der Umsetzung der letzten Gesetzesänderung beschäftigt waren, es aber tatsächlich schon wieder erweiterte Anforderungen an die Umsetzung gab. Ständige Fortbildung wird damit zwingend, sobald ein Unternehmen in den Anwendungsbereich der Geldwäschevorschriften fällt. Für Banken ist das selbstverständlich. Sie stehen ohnehin unter der besonderen Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die regelmäßig neue Auslegungshinweise zu den Regelungen des GWG erlässt https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Meldung/2018/meldung_181211_auas_gwg.html- die allerdings zuweilen die gesetzlichen Vorschriften recht offensiv auslegen mit der Konsequenz, dass einzelne Banken in vorauseilendem Gehorsam Transaktionen ihrer Kunden misstrauen oder Geldwäscheverdachtsanzeigen fertigen in Fällen, in denen objektiv nicht zu beanstanden und nicht zu melden war.

Wehn berät in hochstreitiger Steuersache, führt ein Berufungsverfahren und hat ein langjähriges Strafverfahrens in Bezug auf rechtsstaatliche Verfahrensverzögerungen zu rekonstruieren

Wehn hilft im Februar unter anderem einem Mandanten in einer Steuersache. Es geht um die Anerkennung des Verlustes aus einer Bürgschaftsinanspruchnahme als nachträgliche Anschaffungskosten. Was sich nach einem sehr speziellen Fall anhört, stellt tatsächlich ein oft auftretendes Problem im Rahmen von Firmeninsolvenzen dar. Ein Gesellschafter unterstützt eine Firma durch Darlehen oder eine selbstschuldnerische Bürgschaft zu Gunsten einer Bank. In der späteren Insolvenz stellt die Bank die Bürgschaft fällig. Fraglich ist in diesen Fällen, ob die Zahlung der Bürgschaftssumme an die Bank als nachträgliche Anschaffungskosten angesetzt werden kann. Angesichts der siebenstelligen Bürgschaftssumme in diesem Fall ist diese Frage existenzentscheidend. In der Rechtsprechung haben sich in der Vergangenheit unterschiedliche Fallgruppen herausgebildet, nach denen diese Fälle bewertet werden. Es kommt entscheidend darauf an, ob die Hingabe des Darlehens oder die Übernahme der Bürgschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst waren, und ob diese Verpflichtungen in einer Krise eingegangen worden sind bzw. trotz beginnender Krise stehen gelassen wurden. Hier sind gegenüber dem Finanzamt und falls nötig dem Finanzgericht sauber und genau die Hintergründe der Bürgschaftsübernahme und deren Motivation darzulegen und nachzuweisen.

Ziel in einem Berufungsverfahren vor einem Landgericht in Ostwestfalen ist, für den Mandanten eine bewährungsfähige Strafe zu erreichen. Nachdem in der ersten Instanz (der Mandant war vertreten durch einen anderen Anwalt) das Schöffengericht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung ausgesprochen hatte, soll nun in der zweiten Instanz zumindest eine Bewährungsstrafe erreicht werden. Vorgeworfen wurden dem Mandanten zahlreiche Vermögensdelikte mit einem Schaden im fünfstelligen Bereich. Da die Verurteilung allerdings bereits ca. drei Jahre zurückliegt und der Mandant sich in dieser Zeit nichts hat zu Schulden kommen lassen, sondern vielmehr an seiner Resozialisierung gearbeitet hat (stabile Familienverhältnisse, durchgängige Arbeit, zumindest teilweise Schadenswiedergutmachung), stehen die Chancen vor dem Landgericht gut, noch eine Bewährungsstrafe zu erreichen. Diese Aspekte wird Wehn im Rahmen der anstehenden Hauptverhandlung herausarbeiten. Entgegen der landläufigen Meinung ist es keineswegs so, dass eine Freiheitsstrafe von unter zwei Jahren regelmäßig zur Bewährung ausgesetzt wird. Das Gesetz sieht vielmehr vor, dass bei jeder Verurteilung von mehr als einem Jahr besondere Umstände vorliegen müssen, um eine Bewährung zu rechtfertigen.

In einem weiteren Steuerstrafverfahren vor einem Landgericht in Süddeutschland steht neben der Verteidigung in der Sache im Mittelpunkt die Frage einer vorliegenden rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung. Taten und Strafanzeige gegen den Mandanten stammen aus dem Jahr 2012, eröffnet wurde das Verfahren erst 2017. Vorangegangen waren natürlich längere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, aber auch zahlreiche interne Hin- und- Herverfügungen innerhalb der Staatsanwaltschaft und später zweier verschiedener Strafkammern. Mitte vergangenen Jahres war dann auf diesen Monat terminiert worden. Zwar dauern Steuerstrafverfahren aufgrund ihrer Komplexität häufig länger als Verfahren im allgemeinen Strafrecht. Allerdings hat der Beschuldigte das in Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Menschenrechtskonvention verbriefte Recht, dass das Gericht sich seiner Sache innerhalb angemessener Frist annimmt. Dies gilt umso mehr, aber eben nicht nur für inhaftierte Beschuldigte. Starre Fristen gibt es natürlich nicht. Es kommt auf den konkreten Einzelfall an. Der Anwalt muss sich anhand einer genauen Chronologie eine mögliche Verzögerung seitens der staatlichen Stellen vergegenwärtigen und diese dem Gericht darlegen. Kann eine solche rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung dargestellt werden, kann sich dies erheblich im Falle einer Verurteilung auf die Strafe auswirken. Im Rahmen der so genannten Kompensationslösung gilt dann ein Teil einer möglicherweise ausgeurteilten Strafe bereits als verbüßt.

Ansonsten steht der Februar ganz im Zeichen des Umzugs des Kanzleistandortes Hamm. Ab dem 10.02.2020 finden Sie uns in neuen Räumen an der Adresse Am Pulverschoppen 17, 59071 Hamm. Auch wenn der Abschied von unserem bisherigen Standort nach so vielen Jahren schwer fällt, freuen wir uns doch auf den modernen Standort im Herzen von Werries, nahe des Maxiparks und der Westpress-Arena, nur ca. 10 Minuten vom Südring entfernt. Genaue Informationen dazu in Kürze auf unserer Homepage.

Possemeyer in komplizierten Verfahrenssituationen in zwei Umfangsprozessen

Possemeyer verteidigt in einem umfangreichen Schwurgerichtsverfahren wegen Mordes. In den nächsten Verhandlungstagen wird immer wieder darüber verhandelt, inwieweit eine sogenannte VP (Vertrauensperson) als Zeuge in der Hauptverhandlung vernommen werden kann. Da der VP Vertraulichkeit zugesichert wurde, weigert sich das Ministerium aktuell, den Namen und die Anschrift des Zeugen zu offenbaren. Grund hierfür soll u.a. sein, dass im Falle einer Identifikation und belastender Aussage das Leben des Zeugen konkret gefährdet sei. Jedenfalls würde auch ein Unkenntlichmachen der Person, Ausschluss der Öffentlichkeit oder eine audiovisuelle Vernehmung nicht ausreichen, um die VP ausreichend zu schützen. Vielmehr wäre bereits anhand der Fragestellung und den entsprechenden Antworten schnell klar, um wen es sich um den Zeugen tatsächlich handelt. Für die Verteidigung ist der Zeuge aber wichtig, so dass notfalls über den Verwaltungsrechtsweg versucht werden soll, die Sperrerklärung anzugreifen. Das Verwaltungsgericht wird dann in einer Interessenabwägung entscheiden, welche Belange wichtiger erscheinen.

Nun möchte man als Laie mit dem Rechtsstaat im Rücken sagen: Ist doch kein Problem, wenn der Staatsanwalt den Namen eines Zeugen nicht preisgeben möchte, dann muss man im Strafprozess eben ohne diesen Zeugen auskommen. Solange er nicht Entlastendes bekunden kann, werden sich die Verteidiger daran ja nicht stören. Aber so ist die Strafprozesswelt hier bei uns nicht: Zwar gibt es den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Verteidiger müssen Zeugen befragen dürfen, zu den Beweggründen ihrer Aussage, zum Wahrheitsgehalt (bei Vertrauenspersonen: Welche Zahlungen sie erhalten haben und welche Versprechungen man ihnen in Bezug auf eigene Strafverfahren gemacht hat). Aber dieser Grundsatz gilt eben nicht ohne Durchbrechungen – und dann wird ein Polizeibeamter dazu vernommen, was ihm der Belastungszeuge denn gesagt hat und für wie glaubwürdig er diesen Zeugen einstuft. Im Gericht erscheint dann nur der Polizeibeamte und es ist klar, dass ganz erhebliche Verteidigungsrechte dabei abgeschnitten werden. Deshalb muss der Kampf um die Preisgabe der Identität des Zeugen geführt werden. Gerade auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte postuliert immer wieder das Recht des Angeklagten und seines Verteidigers, einen Belastungszeugen persönlich befragen zu können um sich selbst ein Bild über die Glaubwürdigkeit von dessen Person und die Glaubhaftigkeit von seinen Angaben machen zu können. Auch Gerichte dürfen hierauf nur in ganz besonderen Ausnahmefällen verzichten – und gerade in Strafverfahren mit Bezug zu (zunächst nur angenommener, es gilt die Unschuldsvermutung) organisierter Kriminalität wird auch von Seiten der Strafverfolgungsbehörden mit harten Bandagen gearbeitet. Immer wieder stellen Verteidiger fest, dass sich nach hartnäckiger Recherche und Befragung herausstellt, dass einer Vertrauensperson in keiner Weise hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes ihrer Aussage vertraut werden konnte.

In einem weiteren Fall vor einem Landgericht verteidigt Possemeyer mit 4 weiteren Kollegen in einer bewaffneten Raubserie im Ruhrgebiet. Die relativ jungen Täter sollen bewaffnet mit Pistolen, Messern und Eisenstangen in Tankstellen, Spielotheken und Gaststätten eingedrungen sein und von den dortigen Mitarbeitern durch Drohungen mit Gewalt das Geld herausverlangt haben, bei kümmerlichen Tatbeuten im Bereich von jeweils 500,00 €, so dass eine Gesamtbeute von nur ca. 3.000,00 € erzielt werden konnte. Im Vergleich zu den jetzt als Konsequenz drohenden, hohen Freiheitsstrafen wird die Unüberlegtheit derartiger Aktionen  – die auch im Rahmen dieser Kolumne nicht verniedlicht werden sollen –  damit mehr als deutlich. Es wird vor Gericht daran zu arbeiten sein, ein Urteil mit Augenmaß zu erhalten, das ein sozial besseres und nützlicheres Weiterleben in Zukunft ermöglicht. Denn eines wissen wir Strafverteidiger, auch wenn das für die Gesellschaft unbequem sein mag: Lange Haftstrafen erschweren einen sozialen Neuanfang ohne Straftaten. Haft allein verbessert nicht. Deshalb kann ein 22-jähriger Straftäter – vielleicht nach einer erfolgreichen Berufsausbildung in einer dafür geeigneten Haftanstalt –  besser nach drei Jahren entlassen werden in der Hoffnung auf einen festen Arbeitsplatz, als dass man ihn zu sieben Jahren verurteilt und er erst nach fünfeinhalb Jahren wieder in Freiheit kommt ohne Wohnung, Freundin bzw. Ehepartnerin und zuweilen ohne jede Familie. Auch das Argument „Sicherung der Gesellschaft“ greift hier nicht: Der 22-jährige ist nach fünfeinhalb Jahren Haft immer noch keine 28 Jahre alt und hat in seinem Leben noch mehr als reichlich Zeit, Straftaten zu begehen. Deshalb wäre besser, ihn in Haft nur so lange sozial zu trainieren, dass er bei seiner Entlassung die größtmögliche Chance auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft hat. Alles andere nennt man im Übrigen auch eher Rache und stammt aus dunkleren Zeiten.

Westermann verteidigt in mehreren Hauptverhandlungen und leistet Hilfe bei der Existenzsicherung im Rahmen einer Vollstreckung.

Im Februar steht für Westermann unter anderem in einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung ein Termin vor einem Landgericht auf dem Programm. Nachdem das erstinstanzliche Amtsgericht und im Rahmen der Berufung das Landgericht den Mandanten verurteilt hatte, hatte das Oberlandesgericht im Rahmen der Revision das Urteil auf unsere Verteidigungsrevision aufgehoben und zur neuen Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts verwiesen. In diesem Fall hatte das Landgericht in seinem Urteil gegen das so genannte Doppelverwertungsverbot verstoßen. Nach diesem Grundsatz darf man zulasten eines Angeklagten keine Aspekte strafschärfend bewerten, die bereits Teil des Tatbestandes sind. Ein simpler Fall zur Veranschaulichung: Ein Richter, der einen Dieb besonders hart bestraft, nur weil er fremdes Eigentum gestohlen hat, verstößt gegen diesen Grundsatz. Gegen diesen Grundsatz hatte auch hier das Landgericht – wenn auch nicht ganz so offensichtlich- verstoßen. Es ist unsere Aufgabe als Verteidiger, sich die Urteilsbegründung auch in dieser Hinsicht genau anzusehen und mögliche Verstöße in der Revision zu rügen. Im Rahmen der neuen Verhandlung wird deshalb die Strafe geringer ausfallen, kommt möglicherweise sogar eine Verfahrenseinstellung in Betracht.

In einem Verfahren wegen eines versuchten Tötungsdelikts im Straßenverkehr leistet Westermann im Ermittlungsverfahren aufwändige Verteidigungsarbeit. Der Mandantin wird vorgeworfen, auf eine andere Person zugefahren zu sein, die sich -zumindest nach eigener Darstellung- nur durch einen Sprung retten konnte. Die Sachlage ist unklar, es werden noch verkehrstechnische Gutachten eingeholt. Es lohnt sich allerdings schon jetzt, bei der Staatsanwaltschaft – sei es durch einen Schriftsatz oder durch ein persönliches Gespräch – darauf hinzuwirken, dass selbst im Falle einer Anklageerhebung nicht etwa ein versuchtes Tötungsdelikt, sondern ein Straßenverkehrsdelikt zugrunde gelegt wird. Das stellt die Weichen dazu, dass nur vor einem Amtsgericht angeklagt wird, mit entsprechend geringerer Straferwartung. Damit ist der Fall natürlich noch nicht gewonnen. Bei der heutigen Aufgeregtheit von Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr  – die früher überhöhte Geschwindigkeit mutiert in manchem Regionalblatt mittlerweile fast automatisch zum illegalen Rennen –  ist in derartigen Grenzfällen wichtig, ein größtmögliches Maß an Gelassenheit bereits in das Ermittlungsverfahren einfließen zu lassen.

In einem vergleichbar seltenen Fall auf dem Gebiet des Strafvollstreckungsrechts hilft Westermann einem Mandanten bei der Erhaltung seiner wirtschaftlichen Existenz. Der Inhaber zweier Gewerbe war nach Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zu deren Antritt innerhalb von vier Wochen geladen worden. Nun hatte er sich bereits nach dem rechtskräftigen Urteil darum bemüht, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Dies bislang jedoch erfolglos. Darüber hinaus hat sich das Finanzamt mit einer umfassenden Steuerprüfung angekündigt. In solchen Fällen macht es Sinn, bei der Staatsanwaltschaft einen Vollstreckungsaufschub zu beantragen. Dieser ist dann erfolgreich, wenn ein sofortiger Antritt der Strafe für den Verurteilten existenzgefährdende wirtschaftliche Folgen haben würde, die außerhalb des Strafzwecks liegen und die kurzfristig verhindert werden können. Natürlich bedeutet eine längere Haftstrafe im Normalfall den Verlust des Arbeitsplatzes. Gerade Selbstständige können aber darauf hoffen, dass ihnen bis zu vier Monate Zeit eingeräumt wird, den Fortbestand ihres Gewerbes zu sichern. Dies ist auch im Interesse des Staates, da es natürlich vorzuziehen ist, wenn der Verurteilte nach Verbüßung seiner Haft in geordnete finanzielle Verhältnisse zurückkehrt.